Türkei steht am Scheideweg
Staatschef Erdogan lässt über Präsidialsystem abstimmen
ISTANBUL (dpa) - In einem historischen Referendum stimmen die Türken am Sonntag über die Einführung des von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems ab. 55,3 Millionen Wahlberechtigte sind in der Türkei zur Teilnahme an der Volksabstimmung aufgerufen. Das Präsidialsystem würde Erdogan mehr Macht verleihen. Kritiker warnen vor einer Ein-Mann-Herrschaft.
Letzte Umfragen, die al- lerdings nicht besonders zuverlässig sind, sagten ein knappes Rennen mit einem leichten Vorsprung des Erdogan-Lagers voraus.
Im Wahlkampf hatte Erdogan Europa eine „faschistische, rassistische, fremdenfeindliche und islamfeindliche“Gesinnung attestiert. Vor allem die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Monaten angespannt. Zuletzt wurden sie durch den Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker und die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei belastet.
Erdogan schloss am Donnerstag aus, Yücel freizulassen und nach Deutschland ausreisen zu lassen. Deutschland verweigere die Auslieferung türkischer Staatsbürger, sagte Erdogan dem Sender TGRT in Istanbul. Daher würden Deutsche wie Yücel auch nicht überstellt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Auslieferung des deutsch-türkischen „Welt“-Journalisten Deniz Yücel in seiner Amtszeit ausgeschlossen. Da Deutschland die Auslieferung gesuchter türkischer Staatsbürger verweigere, werde die Türkei Deutsche, die in „unsere Hände fallen“, ebenfalls nicht ausliefern, sagte Erdogan in einem Interview. „Solange ich in diesem Amt bin, niemals.“Die Türkei wirft Deutschland vor, Tausende Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und des islamischen Predigers Gülen nicht auszuliefern. Zum Fall Yücel sagte Erdogan: „Wir haben Bilder dazu, das war ein richtiger Agent-Terrorist“, sagte der Präsident. (dpa)