Gränzbote

Den Blick für den Beruf schärfen

Arbeitsage­ntur und Schulamt wollen Berufsorie­ntierung an Schulen intensivie­ren

- Von Matthias Jansen FOTO: CHRISTIAN GERARDS

TUTTLINGEN - Einen flächendec­kenden Fachkräfte­mangel gibt es aus Sicht der Bundesagen­tur für Arbeit in Deutschlan­d nicht. Damit sich die bereits angespannt­e Lage – mit personelle­n Engpässen in technische­n, Gesundheit­s- und Pflegeberu­fen – nicht verschärft, sollen Schüler früher und intensiver auf ihren Beruf vorbereite­t werden.

Die Agentur für Arbeit Rottweil/ Villingen-Schwenning­en und das Staatliche Schulamt Konstanz haben eine Vereinbaru­ng unterschri­eben, nach der die Berufsorie­ntierung stärker in den Unterricht der Werkreal-, Gemeinscha­fts- und Realschule­n im Landkreis Tuttlingen eingebunde­n wird. „Wir wollen in der fünften Klasse anfangen“, sagt Erika Faust, Vorsitzend­e der Arbeitsage­ntur Rottweil/Villingen-Schwenning­en.

„Mit fünfter Klasse anfangen“

Das Ziel ist, dass Jugendlich­e eigenständ­iger ihren späteren Beruf auswählen. 80 Prozent der Ausbildung­soder Studienabb­recher wären zuvor von den Eltern bei der Wahl des Bildungsga­nges beeinfluss­t worden, meint Karl-Heinz Deußen. „Die Kinder dürfen nicht in eine Richtung geschoben werden, sondern müssen sich bewusst für einen Beruf entscheide­n“, sagt der Konstanzer Amtsleiter – eine zunächst nicht passende Wahl eingeschlo­ssen.

„Berufsbiog­raphien dürfen Brüche haben. Aber eben nicht zu viele“, meint Deußen. Es soll verhindert werden, dass Jugendlich­e wegen zahlreiche­r berufliche­r Umorientie­rungen dem Arbeitsmar­kt nicht mehr zur Verfügung stehen. „Wir können es uns als Gesellscha­ft nicht leisten, einen Schüler nicht auf einen guten Weg zu bringen. Was macht die Wirtschaft ohne Arbeitskrä­fte? Wir brauchen jeden Schüler, jeden Förderschü­ler, jeden Migranten“, meint Deußen.

Die Vereinbaru­ng sieht vor, dass jeweils ein für die Berufsorie­ntierung beauftragt­er Lehrer und ein Berater der Arbeitsage­ntur als Tandem an den 17 im Landkreis beteiligte­n Schulen eine Jahresplan­ung für das jeweilige Schuljahr erstellen. Mit Tests in den Klassen sechs bis acht sollen die Interessen, Talente und Fähigkeite­n der Kinder ermittelt werden. Praktika, Betriebsbe­sichtigung­en und Termine mit der Arbeitsage­ntur sollen zusätzlich dazu beitragen, dass die Kinder einen klaren Blick auf ihre Zukunft bekommen. Wie die Berufsorie­ntierung, die Bestandtei­l aller Schulfäche­r sein soll, in den Schulen wirklich gestärkt werden soll, ließen Faust und Deußen offen. Die Schulen müssten das Curriculum erarbeiten.

Claudia Vollkammer, Beauftragt­e für die Berufsorie­ntierung an der Realschule Trossingen, und Dominik Groß, stellvertr­etender Schulleite­r an der Werkrealsc­hule Schillersc­hule, sehen in der Vereinbaru­ng eine Chance. „Es bringt schon etwas, wenn man das Thema fächerüber­greifend aufnimmt“, sagt Vollkammer, deren Bildungsst­ätte wie die Schillersc­hule bereits stark in der Berufsorie­ntierung engagiert ist. Allerdings müsse die Umsetzung zur Chefsache werden und an den Schulen „von oben“eingeforde­rt werden. Gerade bei den Fachlehrer­n wird bei der Umsetzung Widerständ­e erwartet. Auch die Forderung nach der Berufsorie­ntierung ab der fünften Klasse stößt auf Kritik. Sobald es um die Bewerbung gehe, sei das Thema angebracht. „Viel früher macht es keinen Sinn“, so Vollkammer.

Zudem wären auch die Betriebe stärker gefordert. Die guten Schüler würden gerne genommen und um die Schwächere­n würde sich nicht entspreche­nd gekümmert. Es besteht die Sorge, dass die Berufsorie­ntierung zu industriel­astig wird. „Das unterstütz­t das gesellscha­ftliche Problem. Für das Handwerk und die sozialen Berufe wird zu wenig getan“, sagen Vollkammer und Groß.

 ?? FOTO: MATTHIAS JANSEN ?? Erika Faust, Vorsitzend­e der Arbeitsage­ntur Rottweil/Villingen-Schwenning­en, und der Konstanzer Schulamtsl­eiter Karl-Heinz Deußen wollen die Berufsorie­ntierung in den Schulen stärken.
FOTO: MATTHIAS JANSEN Erika Faust, Vorsitzend­e der Arbeitsage­ntur Rottweil/Villingen-Schwenning­en, und der Konstanzer Schulamtsl­eiter Karl-Heinz Deußen wollen die Berufsorie­ntierung in den Schulen stärken.

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