Gränzbote

Reaktion auf Drohung: „Gelesen, gelacht, gelocht“

Abzockerfi­rma setzt Spaichinge­r Rentner unter Druck

- Von Regina Braungart

„Die Mail und die darin gemachte Drohung mit der Pfändung sind völliger Unsinn.“Hasn Christian Druschar im Internetpo­rtal PC-Welt

SPAICHINGE­N - Weil er eine angebliche Rechnung von „routenplan­ermaps.com“nicht bezahlt hat, hat ein Leser des Heuberger Boten eine böse E-Mail bekommen: „Unser InkassoTea­m“werde ihn am Freitag, 21. April um 10 Uhr „besuchen“, um seine „Wertgegens­tände zu pfänden“. Dazu habe eine Inkassofir­ma Steinbach und Partner aus Frankfurt, einen Vollstreck­ungstitel vor Gericht erwirkt.

Sollte der Spaichinge­r nicht zuhause sein, werde man mit Hilfe eines Schlüsseld­ienstes in die Wohnung eindringen. Abwenden könne er die Ungemach nur, indem er für 750 Euro Amazon-Gutscheine kaufe und diese per Email zusende.

Mehr Gewicht sollte dem Schreiben offenbar „Ihre Registrier­ungsdaten“mit Angabe der Emailadres­se, des Anmeldezei­tpunkts, der IPAdresse und des Providers verleihen

„Abzocke!“war glückliche­rweise der erste Gedanke des Spaichinge­r Seniors. Denn er hatte keinen Vertrag oder ein Abonnement mit der Routenplan­erseite abgeschlos­sen. Er machte sich im Internet schlau und stieß auf Seiten, vor allem der Verbrauche­rzentralen, die vor der dreisten Masche warnen. Und er folgte dem Rat: Nichts machen, nicht bezahlen.

Erich Nolte, Rechtsbera­ter bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g in Stuttgart hat einen noch griffigere­n Rat: „Gelesen, gelacht, gelocht.“Die Routenplan­er-Masche ist der Verbrauche­rzentrale bekannt. Viele verunsiche­rte Verbrauche­r wendeten sich an sie. Vor allem Senioren ließen sich verunsiche­rn. Aber er winkt ab: Man könne nur ein Mal per Mail einen Widerspruc­h schicken und diesen dokumentie­ren. Nur ein Mal; und möglichst sparsam mit den eigenen Daten umgehen, also keinen Namen und keine Adresse angeben. Man könne davon ausgehen, dass die Adressen auch verkauft würden, so Nolte.

„Untergesch­obene Verträge“

Es sind gleich mehrere Erkennungs­zeichen, die zeigen, dass die Firma, sofern sie überhaupt existiert, nicht seriös unterwegs ist. Das Wichtigste: Wenn ein Verbrauche­r der Ansicht ist, keinen Vertrag abgeschlos­sen zu haben, dann ist es auch keiner. Man rede hier von „untergesch­obenen Verträgen“, so der Verbrauche­rschützer Nolte. Denn ein Vertrag basiere auf der Willenserk­lärung zweier Parteien. Tatsächlic­h sei es so, dass eine angeblich kostenlose Anmeldung auf einer Website im Kleingedru­ckten oft mit hohen Summen verknüpft sei. So wie bei dem Spaichinge­n Rentner.

Zwar seien, darauf verweist auf unsere Anfrage auch die Polizei in Tuttlingen, mit einer Gesetzesän­derung 2012 geregelt, dass online eine explizite Willenserk­lärung für einen Vertragsab­schluss nötig ist. Das bedeutet, der Hinweis auf einen Vertrag und die Vertragsbe­dingungen können nicht im Kleingedru­ckten versteckt werden. Aber in jüngster Zeit tauchten diese Versuche der Abzocke wieder verstärkt auf, so Nolte.

Der Erfolg, nämlich dass so genannte „Angstzahle­r“tatsächlic­h bezahlen, sei sehr gering, allerdings vermute er eine recht hohe Dunkelziff­er. In diesem Fall sollten sich die Geschädigt­en bei der Polizei melden.

„Völliger Unsinn“

In einem Beitrag der www.pcwelt.de im Internet vom 28. Februar, der aktuell abrufbar ist, vollzieht der Autor des Artikels die Masche der Routenplan­er-Maps und der angeblich dahinter liegenden, Akteurs-Firmen nach. Fazit: „Die Mail und die darin gemachte Drohung mit der Pfändung sind völliger Unsinn.“Übrigens: Der Autor nennt mehrere, immer wechselnde Webadresse­n und Firmenname­n und beschreibt auch, dass gar keine Firma eingetrage­n sei

Korrekt kann alles auch deshalb nicht gewesen sein, weil den Abzockern offenbar weder der Name des Rentners bekannt ist, noch seine Adresse. Die IP-Adresse, also die individuel­l für den jeweiligen OnlineZuga­ng abgespeich­erte Identifizi­erungsnumm­er, kann von Firmen tatsächlic­h abgefragt werden, aber hier die ladungsfäh­ige Adresse herauszufi­nden, setzt offenbar anderes voraus. Das bedeutet: Die Abzocker wissen über den so bedrohten Spaichinge­r Rentner nur seine Emailadres­se, die IP Adresse und den Internet-Anbieter. Mehr nicht. Also nichts. Das ist wichtig, denn ein gerichtlic­her Mahnbesche­id kann nicht per E-Mail zugestellt werden, genauso wenig, wie eine Pfändungsa­nkündigung. Diese müsse per Brief, mit einer Postzustel­lungsurkun­de dokumentie­rt, zugestellt werden. Also persönlich übergeben oder in den Briefkaste­n geworfen werden, so Nolte.

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FOTO: REGINA BRAUNGART Dieses Schreiben hat der Spaichinge­r Rentner bekommen.

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