Gränzbote

Aus dem Staub

Forscher entwickeln neue Methode zum Nachweis von fossilem Erbgut

- Von Stefan Parsch

Es ist ein völlig neuartiges Verfahren, mit dem Wissenscha­ftler künftig jahrtausen­dealtes Erbgut analysiere­n können: Forscher des Max-Planck-Instituts in Leipzig haben eine Methode gefunden, mit der sich DNA (Foto: colourbox) aus Staub und Sand extrahiere­n lässt. Bisher musste man dafür versteiner­te Überreste, etwa Knochen, finden. Die Innovation macht neue Erkenntnis­se über vergangene Epochen möglich.

LEIPZIG (dpa) - Urzeitfors­cher sind künftig nicht mehr allein auf versteiner­te Überreste angewiesen, um Tiere und Frühmensch­en an Ausgrabung­sstätten nachzuweis­en. Ein internatio­nales Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig hat eine Methode entwickelt, um aus Ablagerung­en Erbgutsträ­nge (DNA) zu gewinnen und zu untersuche­n. Über den genetische­n Code konnten die Forscher um Matthias Meyer Neandertal­er und Denisova-Menschen sowie verschiede­ne Säugetiera­rten nachweisen.

In der Studie, die in der Fachzeitsc­hrift „Science“erschienen ist, berichten die Wissenscha­ftler, dass es viele archäologi­sche Fundstätte­n aus der Altsteinze­it (Pleistozän) gebe, die Werkzeuge oder andere Gegenständ­e enthielten. Überreste der Frühmensch­en, die sie hergestell­t haben, seien jedoch Mangelware. Deshalb kamen die Leipziger Forscher auf die Idee, die Ablagerung­en aus bekannten Ausgrabung­sstätten auf Überbleibs­el von DNA zu untersuche­n. „Wir wissen, dass einige Bestandtei­le von Sedimenten DNA binden können“, erklärt Meyer. Die DNA stammt demnach von Weichteile­n, die keine fossilen Spuren hinterlass­en.

Die deutschen Forscher arbeiteten mit internatio­nalen Wissenscha­ftlern zusammen, die Untersuchu­ngen an Ausgrabung­sstätten in Spanien, Frankreich, Belgien, Kroatien und Russland vornahmen. Von diesen Orten, überwiegen­d Höhlen, erhielten die Leipziger Bodenprobe­n, die sie dann mit moderner Technik auf DNA-Stränge untersucht­en. Der größte Teil des Erbguts konnte keinem Lebewesen zugeordnet werden und von den identifizi­erten genetische­n Codes stammte ein Großteil von Mikroorgan­ismen. Die Anthropolo­gen fanden aber auch genetische Spuren von verschiede­nen Säugetiere­n, darunter ausgestorb­enen wie dem Mammut, dem Wollnashor­n und der Höhlenhyän­e.

Die Gruppe um Meyer konzentrie­rte sich auf die DNA der Mitochondr­ien, die für die Energiever­sorgung der Zellen zuständig sind. Diese DNA sei „trotz ihrer geringen Größe informativ, wegen ihrer hohen Entwicklun­gsgeschwin­digkeit in Säugetiere­n“, schreiben die Wissenscha­ftler.

Neandertal­er-Gene im Sediment

Dennoch war die Aufgabe nicht einfach: „Erste Ergebnisse ließen uns vermuten, dass die meisten Proben das Erbgut zu vieler anderer Säugetiera­rten enthielten, um darin Spuren menschlich­er DNA zu entdecken“, sagt Viviane Slon vom Leipziger MPI und Erstautori­n der Studie. „Also änderten wir unsere Herangehen­sweise und nahmen bei unserer Analyse ganz speziell DNA-Fragmente menschlich­en Ursprungs ins Visier.“

In den Ablagerung­sproben von fünf der sieben untersucht­en Ausgrabung­sstätten fanden die Forscher Erbgut von Frühmensch­en: viermal vom Neandertal­er und einmal vom Denisova-Menschen. Die Sedimente der belgischen Höhle Trou Al’Wesse wiesen Neandertal­er-Gene auf, obwohl dort bisher nur Tierknoche­n und Werkzeuge gefunden worden waren. „Anhand von DNA-Spuren im Sediment können wir nun an Fundorten und in Gebieten die Anwesenhei­t von Urmenschen nachweisen, wo dies mit anderen Methoden nicht möglich ist“, sagt Svante Pääbo, Direktor der Abteilung für Evolutionä­re Genetik am MaxPlanck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie und Ko-Autor der Studie.

Nach der gegenwärti­g am stärksten vertretene­n Out-of-Africa-Hypothese breitete sich die Gattung Homo von Afrika aus über die Welt aus: Als Erstes gelangte demnach Homo erectus vor etwa 1,9 Millionen Jahren nach Asien und Europa. Vermutlich entwickelt­e sich aus ihm in Europa der Neandertal­er, in Afrika der Homo sapiens. Dieser moderne Mensch verließ dann vor 60 000 bis 70 000 Jahren den afrikanisc­hen Kontinent und zog über die Erde.

Der Denisova-Mensch ist erst seit wenigen Jahren bekannt: 2008 fanden russische Archäologe­n einen Knochen und Zähne in Südsibirie­n. Es handelt sich um eine weit entfernte Schwesterg­ruppe der Neandertal­er. Während diese vor allem in Europa und Westasien lebten, zogen Denisova-Menschen durch Ostasien. Sie lebten vermutlich noch vor etwa 40 000 Jahren im zentralasi­atischen Altai-Gebirge. Der Neandertal­er hingegen starb nach bisherigen Erkenntnis­sen vor etwa 40 000 Jahren aus.

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FOTO: IMAGO In den Weiten des Weltalls: Das sind die ersten von der Nasa zur Verfügung gestellten Bilder, die die Raumsonde Cassini auf ihrer Reise durch die Saturnring­e hindurch gemacht hat. Bislang gab es noch keine Aufnahmen von der Atmosphäre des Saturn aus...
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FOTO: MONIKA V. KNUL/DPA Becky Miller sammelt Material in der belgischen Höhle Trou Al’Wesse – einer der Fundstätte­n, in denen die Wissenscha­ftler Urmenschen­DNA im Sediment nachweisen konnten.

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