45 Prozent der Briten bedauern Brexit
Rückhalt für die Entscheidung schwindet – Seit Februar Reallohnverluste
LONDON - Im Anschluss an den Brexit-Gipfel vom Samstag wollten sich Anfang kommender Woche eigentlich der britische Brexit-Minister David Davis und EU-Chefunterhändler Michel Barnier treffen und das zukünftige Vorgehen besprechen. Die unverhoffte Neuwahl auf der Insel hat den Termin platzen lassen und den ohnehin knappen Zeitkorridor für die Austrittsverhandlungen nochmals verkleinert.
Vorab kamen die beiden Gesprächspartner am Mittwochabend in der Downing Street zusammen, wo Premierministerin Theresa May Barnier und den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zum Abendessen begrüßte. Bei dem Gespräch war Mays Büroleiter Nick Timothy nicht dabei. Dabei dürfte dem Befürworter des britischen Austritts in den kommenden Monaten eine Schlüsselrolle zufallen, wenn es um die Koordinierung mit Brüssel und anderen wichtigen Hauptstädten, nicht zuletzt Berlin und Paris, geht.
Die Premierministerin hat die vorgezogene Unterhauswahl ausdrücklich mit dem Wunsch begründet, sie wolle sich vom Wahlvolk „ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen“holen. Damit meint May Rückhalt für den harten Brexit, also den Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion sowie das Ende der Personenfreizügigkeit und der Aufsicht durch den EuGH. Dass dies mit erheblichen Kosten für die Insel verbunden sein wird, kommt in Mays Reden und Wahlkampfauftritten höchstens in Andeutungen und Nebensätzen vor. Die von ihr behauptete „zunehmende Einigkeit“des Landes spiegelt sich in den Umfragen nicht wider. Eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov wurde am Donnerstag von der Zeitung „The Times“veröffentlicht. Es ging um die Frage, ob das Brexit-Votum ein Fehler gewesen sei. Eine knappe Mehrheit hält den Brexit im Nachhinein für schlecht (45:43). Gleichzeitig wollen aber zwei Drittel die einmal getroffene Entscheidung durchziehen. Paradox? „Nein, so sind wir Briten nun mal“, glaubt Professor Simon Hix von der London School of Economics. „Das Gefühl ist: So ist es nun entschieden, nun machen wir’s auch.“Die zunehmend mulmigen Gefühle haben auch mit unerfreulichen Nachrichten aus der Wirtschaft zu tun. Zwar verzeichnete die Insel seit Juni noch ordentliches Wachstum, die Arbeitslosigkeit liegt bei 4,7 Prozent. Erstmals seit zweieinhalb Jahren müssen die Arbeitnehmer aber seit Februar Reallohnverluste in Kauf nehmen. Das liegt an der stetig steigenden Inflation von zuletzt 2,3 Prozent, die vor allem auf teurere Importe durch das geschwächte Pfund zurückgeht.