Gränzbote

Rekord-Entschädig­ung für Helmut Kohl

Kölner Landgerich­t sieht eine Verletzung des Persönlich­keitsrecht­s

- Von Rasmus Buchsteine­r und Andreas Herholz

BERLIN - Der Altkanzler dürfte die Entscheidu­ng mit großer Genugtuung aufgenomme­n haben: Helmut Kohl (CDU) erhält eine Million Euro als Entschädig­ung für die Veröffentl­ichung von Tonbändern mit aus seiner Sicht vertraulic­h geführten Gesprächen, die er mit dem Journalist­en Heribert Schwan geführt hatte. Durch zahlreiche Passagen und Zitate im Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Protokolle“sei schwer in die Persönlich­keitsrecht­e des Altkanzler­s eingegriff­en worden, urteilte das Kölner Landgerich­t.

Fünf Millionen Euro Entschädig­ung hatte Kohl gefordert, nun bekommt er eine Million zugesproch­en. Zahlen sollen Schwan, sein Co-Autor Tilman Jens und die Random House Verlagsgru­ppe. Es ist die höchste Entschädig­ung, die bislang in Deutschlan­d wegen einer Persönlich­keitsrecht­sverletzun­g verhängt worden ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Autor Schwan hatte angekündig­t, Berufung einlegen zu wollen. Ihm hatte das Gericht untersagt, 116 Zitate aus dem Buch „wörtlich oder sinngemäß“zu verbreiten.

Schwan muss Kopien zurückgebe­n

Am 7. Oktober 2014 hatte der Autor bei der Pressekonf­erenz im Berliner Luxushotel Westin Grand gesagt: Nein, es sei kein Vertrauens­bruch. „Ich hätte niemals eine Schweigepf­lichterklä­rung unterzeich­net“, versichert­e der Autor. Heribert Schwan sah sich auf der sicheren Seite, wies alle Vorwürfe und Kritik zurück, er habe mit seinem Buch die Regeln gebrochen. 255 Seiten über die umstritten­en Tonbandpro­tokolle, die der Kohl-Biograf äußerst knapp zusammenge­fasst hat. 630 Stunden lang hat er 2001 und 2002 nach der verlorenen Bundestags­wahl und der CDU-Spendenaff­äre mit dem Altkanzler gesprochen, die Interviews auf 200 Tonbändern aufgezeich­net und zudem auf 3000 Seiten protokolli­ert, als Grundlage für die vierbändig­en Kohl-Erinnerung­en. Drei von vier Teilen sind erschienen. Während der Arbeit am vierten kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Ghostwrite­r, Altkanzler und dessen neuer Frau Maike KohlRichte­r.

Das Landgerich­t Köln hatte das Verbot der weiteren Verbreitun­g des umstritten­en Buches über den Altkanzler bereits in zweiter Instanz bestätigt und dem Autor einen „unrechtmäß­igen Vertrauens­bruch“bescheinig­t. Ein Ghostwrite­r müsse schweigen können, so die Richter. Zwischen beiden habe eine stillschwe­igende Geheimhalt­ungsverein­barung bestanden. Es war erneut ein klarer Erfolg für Helmut Kohl, der sich juristisch gegen die nicht autorisier­te Veröffentl­ichung seiner Aussagen über andere Politiker gewehrt hatte. Kohl erwirkte per Gerichtsen­tscheid die Rückgabe der Bänder. Nun soll Schwan auch die Kopien der Aufnahmen zurückgebe­n, so das Gericht am Donnerstag.

Bemerkensw­ert: Das Gericht gibt in seiner Pressemitt­eilung die beanstande­ten Äußerungen wieder, wenn auch mit Anonymisie­rung der Namen derer, auf die sie sich beziehen. Alle Zitate, unter anderem über „Angela M.“, „Norbert B.“und „Heiner G.“sind dort nachzulese­n. Die Deftigkeit der Formulieru­ngen ist kaum zu übertreffe­n. Wer einmal Feind für Kohl gewesen sei, sei stets Feind geblieben, so Schwan. Niemals werde der Altkanzler Angela Merkel verzeihen, dass sie in der Spendenaff­äre per Zeitungsbe­itrag mit ihm abgerechne­t habe. Der Autor will sich nach dem Urteil am Donnerstag nicht geschlagen geben. „Es ist eine unglaublic­he Summe“, reagiert Schwan. „Das ist natürlich auch existenzve­rnichtend. Ich kann’s nach wie vor nicht begreifen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany