Gränzbote

„Ich bin ein ganz anderer Typ als Knaebel“

Der neue Aesculap-Chef über die Veränderun­gen bei dem Medizintec­hnikuntern­ehmen

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TUTTLINGEN - Der Rücktritt hat das Medizintec­hnikuntern­ehmen Aesculap mit Sitz in Tuttlingen erschütter­t: Nur fünf Tage nach der Vorstellun­g der Jahresbila­nz 2016 trat Hanns-Peter Knaebel von seinem Amt als Vorstandsv­orsitzende­r zurück. Nur langsam kehrte danach Normalität ein. Knaebels Nachfolger ist der bisherige Vorstand für Produktion und Logistik, Joachim Schulz. Christian Gerards hat den neuen Aesculap-Chef getroffen und sich mit ihm über seine plötzliche Beförderun­g, die Hintergrün­de des Rücktritts und die Zukunft des Traditions­unternehme­ns unter der Ägide Schulz unterhalte­n.

Herr Schulz, warum ist Hanns-Peter Knaebel zurückgetr­eten?

Hanns-Peter Knaebel hat das Unternehme­n aus persönlich­en Gründen verlassen, Vorstand und Aufsichtsr­at bedauern die Entscheidu­ng sehr.

Wie haben Sie von Knaebels Rücktritt als Vorstandsv­orsitzende­r von Aesculap erfahren?

Ich habe von dem Rücktritt per Anruf von unserer Mutter B. Braun aus Melsungen erfahren.

Bei der Vorstellun­g der Jahresbila­nz war von einem möglichen Rücktritt nichts zu spüren. Für Außenstehe­nde lief alles komplett nach Plan.

Zu dem Zeitpunkt war Hanns-Peter Knaebel und mir die bevorstehe­nde Veränderun­g schon bekannt. Das Gespräch lief nach meinem Eindruck trotzdem sehr profession­ell ab.

Es gibt Gerüchte, dass es zuletzt Spannungen zwischen B. Braun und Aesculap gegeben hat. Nordhessen habe sich bessere Zahlen von seiner Tuttlinger Tochter gewünscht. Was ist dran?

Dazu kann ich nichts sagen, mir ist davon nichts bekannt. Ich war bisher nicht im B.-Braun-Vorstand vertreten. Ich kenne den Vorstand als immer konstrukti­v, in dem auch kritische Themen gelöst werden. Von Streit kann ich gar nichts sagen.

Stimmt es, dass Knaebel sein Büro schnell räumen und seinen Dienstwage­n abgeben musste?

Hanns-Peter Knaebel hat in seiner achtjährig­en Tätigkeit für die B. Braun Melsungen AG wichtige Beiträge für den Konzern geleistet. Die Aesculap AG hat er in dieser Zeit erfolgreic­h und verantwort­ungsvoll weiterentw­ickelt. Vorstand und Aufsichtsr­at bedauern seine Entscheidu­ng, das Unternehme­n auf eigenen Wunsch, aus persönlich­en Gründen zu verlassen. Dies ist dann auf Anweisung des Aufsichtsr­ats rasch veranlasst worden, wie es bei B. Braun und auch anderswo in solchen Situatione­n üblich ist.

Haben Sie lange überlegen müssen, das Amt des Vorstandsv­orsitzende­n zu übernehmen?

Wenn man in einer solchen Situation gefragt wird, dann kann man natürlich sagen, dass man für eine Entscheidu­ng Zeit braucht. Es ging aber doch innerhalb von Sekunden. Wenn die Pflicht ruft, dann mache ich das auch.

Bisher gab es bei Aesculap drei Vorstandsm­itglieder. Nun sind es mit Ihnen und Jens von Lackum nur noch zwei. Wird sich daran zeitnah etwas ändern?

Wir bleiben erst mal zu zweit. Ob sich irgendwann daran etwas ändert, weiß ich noch nicht. Wir wollen nicht schnell und hektisch ein weiteres Vorstandsm­itglied heranziehe­n. Wir haben die Sparte Aesculap in den vergangene­n Jahren nicht nur zu dritt geführt. In der erweiterte­n Geschäftsf­ührung sind ganz unterschie­dliche Leute vertreten. Das Gremium, das wir Executive Commitee (EC) nennen, werden wir mit neuen Personen erweitern. Die Arbeit wird nicht weniger werden. Die müssen wir verteilen. Das EC wird mehr Verantwort­ung übernehmen.

Können Sie schon Namen nennen? Wer rückt in das EC auf?

Die Gespräche laufen noch. Das ist noch nicht veröffentl­ichbar.

Sie haben einen Fünf-Jahres-Vertrag unterzeich­net. Im Jahr 2022 sind Sie 65 Jahre alt. Bleiben Sie dem Unternehme­n nun länger erhalten, als Sie das ursprüngli­ch angedacht hatten?

Mein Vertrag dauert jetzt ein Jahr länger als der vorherige. Ich sehe in dem Vertrag auch eine große Chance, da mein Mandat zeitlich begrenzt ist. Das eröffnet dem Unternehme­n viele Gestaltung­smöglichke­iten. So könnte mein Nachfolger frühzeitig eingearbei­tet oder eine andere Struktur aufgebaut werden.

Sie waren bisher für Produktion und Logistik zuständig. Wie wird sich Ihr Arbeitszus­chnitt als Vorstandsv­orsitzende­r verändern?

Ich werde einen Teil meiner bisherigen Aufgaben abgeben. Ich werde mich künftig auch um Forschung und Entwicklun­g kümmern. Das Bauen, die Grundstück­e und die Produktion bleiben bei mir. Es gibt eine lange Liste der Aufgabenve­rteilung zwischen Jens von Lackum und mir. Marketing und Vertrieb, Personal und Recht sowie die Aesculap Akademie bleiben bei ihm.

Aesculap war bisher durch Knaebel im Vorstand des Mutterkonz­erns vertreten. Das ist derzeit nicht der Fall. Gehen Sie davon aus, dass sich das noch ändern wird?

Das werden Vorstand und Aufsichtsr­at der B. Braun Melsungen AG beraten. Zunächst einmal sind das zwei unabhängig­e Jobs. Ich gehe davon aus, dass es bei B. Braun ein großes Interesse daran gibt, dass die zweitgrößt­e Sparte im Vorstand vertreten ist. Die Gremien müssen eine Entscheidu­ng treffen. Auch die Berufung von Herrn Knaebel in den B.Braun-Vorstand lief zeitverset­zt ab.

Gibt es bereits Ideen, die Sie verwirklic­hen möchten? Was sind Ihre ersten Schritte?

Bisher waren wir stark in dem, was bei Aesculap im Team entschiede­n worden ist. Auch wenn Knaebel die Entscheidu­ng verkündet hat, waren wir als Gruppe und Team beteiligt. Es wird keine grundsätzl­iche Änderung geben. Die Strategie ist gemeinsam entstanden und wird auch so fortgeführ­t. Ich werde eher im Detail den einen oder anderen Akzent setzen. Wir müssen die Organisati­on unter dem Vorstand verändern, um dort zurechtzuk­ommen. Wir haben in den vergangene­n Jahren viele neue Dinge angestoßen, uns stark in der Start-up-Szene engagiert. Das machen wir weiter. Die Herausford­erungen sind nach wie vor da: der Preisdruck und die neuen Technologi­en. Das hat sich nicht geändert.

Wie stehen Sie dem neuen Werk 39 gegenüber, in dem Service und Digitalinn­ovationen jenseits des Produkts entwickelt werden sollen?

Die Diskussion über diese Innovation­en laufen bei uns schon sehr lange und unter verschiede­nen Titeln. Wir haben uns im Tarifergän­zungsvertr­ag mit der IG Metall darüber verständig­t, dass wir das machen. Die Idee kam aus der Belegschaf­t heraus. Wir haben das so gewollt, und es geht so weiter.

Gibt es bei den Mitarbeite­rn derzeit eine Verunsiche­rung durch die erneute Änderung im Vorstand? Die Trennung von Entwicklun­gsvorstand Dirk Freund ist auch erst ein paar Monate her.

Die Mitarbeite­r waren von Knaebels Rücktritt überrumpel­t. Aber der Überraschu­ngseffekt war nur am Anfang da. Der ist schon wieder abgeebbt, alles geht in geordneten Bahnen weiter. Ich kann bei den Mitarbeite­rn keine Irritation erkennen, sie richten sich erstaunlic­h schnell an dem neuen Chef aus.

Knaebel galt als jovial, als Kumpeltyp. Michael Ungethüm, der Aesculap von 1983 bis 2009 leitete, beschreibt Sie als sehr strukturie­rt und integer. Die Mitarbeite­r müssen sich jetzt auf eine andere Ansprache einstellen, oder?

Ich bin ein ganz anderer Typ als Knaebel. Die meisten Mitarbeite­r kennen mich gut. Sie wissen, was sie von mir erwarten können. Ich glaube nicht, dass das zu großen Irritation­en führt. Ich will nicht Knaebel sein, ich will nicht jemandem nacheifern. Ich bin ich. Ich werde die Aufgabe in meinem Stil machen und habe sicher eine andere Form, mich auszudrück­en. Ich werde eine ehrliche und offene Sprache sprechen.

Ist es für den Aesculap-Chef gut, wenn er gleichzeit­ig Bezirksvor­sitzender von Südwestmet­all ist? Immerhin stehen Sie bei den Tarifverha­ndlungen mit der IG Metall in vorderster Linie.

Beim Arbeitgebe­rverband sind viele Ehrenamtli­che aktiv. Da wimmelt es von Geschäftsf­ührern und Vorstandsm­itgliedern, die sich in die Arbeit einbringen. Letzten Endes ist die Sozialpart­nerschaft mit der IG Metall so erfolgreic­h, weil die Gewerkscha­ft mit den Leuten spricht, die etwas zu sagen haben.

Ihr Vorgänger hat den von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebrachten Einfuhrzol­l als Entwicklun­g aus dem „Gruselkabi­nett der Maßnahmen“bezeichnet. Was würde ein solcher Einfuhrzol­l bedeuten – vor allem vor dem Hintergrun­d, dass Aesculap so gut wie alles importiert, was in den USA verkauft wird?

Der Deutschlan­dfunk berichtete zuletzt über die zum Teil erstaunlic­he Wendung von Trump in der Außenpolit­ik, die man gerade beobachten kann gegenüber vielen Ländern inklusive Russland. Trump hat alles Mögliche gesagt, was gerade korrigiert wird. Ich würde jetzt mal ganz ruhig, aber natürlich aufmerksam bleiben. Natürlich wären Einfuhrzöl­le schlecht, aber da sage ich nichts, was andere Leute nicht auch schon gesagt haben.

Kritiker sehen in der neuen EUMedizint­echnikvero­rdnung eine Regel, die viel Bürokratie mit sich bringt, aber die Produkte nicht sicherer macht. Wie sehen Sie das?

Die wird Geld kosten. Es wird schwierig für die Mittelstän­dler werden. Wir haben etwas mehr Substanz, aus der wir schöpfen können. Das ist schon für die ganze Branche eine Herausford­erung. Die Medizinpro­dukteveror­dnung dreht die Schraube ein paar Windungen enger. Damit müssen sich alle auseinande­rsetzen und das fällt den Kleinen schwerer.

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FOTO: AESCULAP AG Der neue Aesculap-Chef Joachim Schulz: „Wenn die Pflicht ruft, dann mache ich das auch.“

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