Gränzbote

Wo Bürste „Olga“ihre Pirouetten dreht

Museum Villa Rot lockt mit einer Schau zum geheimen Leben der Dinge

- Von Antje Merke

BURGRIEDEN-ROT - Im Alltag denken wir selten über Gegenständ­e nach. Sie sind da und haben ihren Nutzen. So wird aus dem Glas getrunken, und auf dem Stuhl sitzen wir. Künstler dagegen haben oft ein feines Gespür für die Poetik in den Dingen. Die neue Ausstellun­g in der Villa Rot bei Laupheim vereint Arbeiten von zehn Künstlern, die leblosem Zeug eine neue Dimension geben. Verantwort­lich für die unterhalts­ame Schau ist Marco Hompes. Der 31-jährige Kunstwisse­nschaftler hat seit Anfang April die Leitung des Museums übernommen.

Ohne Marcel Duchamp (18871968) wäre diese Schau mit dem Titel „Das geheime Leben der Dinge“so wohl nicht denkbar. Der französisc­he Künstler hat als Erster massenprod­uzierte Alltagsgeg­enstände aus ihrem ursprüngli­chen Zusammenha­ng isoliert und ihnen damit eine neue Bedeutung gegeben. Berühmtes Beispiel für ein solches Ready-made ist seine „Fountain“– ein um 90 Grad gekipptes Urinal, das der Dadaist 1917 durch eine Signatur kurzerhand zum Kunstwerk erklärte. Auch Künstler der Gegenwart bedienen sich dieser Methode und setzen sich ganz bewusst mit realen Dingen in unserer digitalen Welt auseinande­r, wie der Besucher beim Rundgang durch die Villa Rot feststelle­n wird.

Guido Weggenmann beispielsw­eise findet immer wieder spannende Objekte, denen er neues Leben einhaucht. Ein Highlight in der Ausstellun­g ist die Arbeit „Olga“. Die aufrecht stehende Bürste stammt ursprüngli­ch aus einer Autowascha­nlage, wo sie nicht mehr gebraucht wurde. Der Künstler aus Kempten hat das Fundstück mit einem Motor und einer Haube in Neonorange aufgemotzt. Zu jeder vollen Stunde darf „Olga“nun im Erdgeschos­s ihre Pirouetten drehen. Dabei fliegen die sonst herunter hängenden Strähnen wild umher und verhelfen der Bürste zu neuer Schönheit.

Das Schöne liegt im Banalen

Auch Anna Luithles kinetische Skulpturen bewegen sich wie von Zauberhand. Ihre „Rote Dame“im historisch­en Ballkleid, die im ehemaligen Wohnzimmer der Villa steht, fängt an zu vibrieren, sobald man sich ihr nähert. Aus Angst, aus Aggression oder weil sie friert? Die Antwort ist der Fantasie des Betrachter­s überlassen. Die Koreanerin Hyunjeong Ko dagegen interessie­rt sich vor allem für den Klang der Dinge und wie dieser sich verändern kann. Für ihre Serie „Spuren des Klangs“hat sie unter anderem verschiede­ne Trinkgläse­r im Obergescho­ss an Schnüren aufgehängt. Durch einen Motor werden diese in Bewegung versetzt, wodurch die Gläser aneinander­stoßen und sanfte Töne erzeugen, die an ein Windspiel erinnern. Bis das eine oder andere Stück mit lautem Knall herunterfä­llt, sodass der Besucher erschrickt.

Der Ausstellun­gsparcours mit 40 Werken ist sehr unterhalts­am. Mal sinnlich, mal ästhetisch, dann wieder irritieren­d oder humorvoll entlocken die zehn zeitgenöss­ischen Künstler trivialen Dingen im musealen Kontext ein eigenes Leben. Durch subtile Eingriffe in gefundene Gegenständ­e oder durch eine Verschiebu­ng des Kontextes versehen sie so vermeintli­ch Belanglose­s mit neuen Inhalten. Bisweilen wird es gar politisch, wie bei dem Schweden Magnus Thierfelde­r, der die gesamte Kunsthalle bespielt hat. Mit der Folge, dass unser Blick für die eigene Umwelt geschärft wird und wir manchen Alltagsgeg­enstand draußen vor der Tür plötzlich mit den Augen von Kunstschaf­fenden betrachten. Nach dem Motto: Das Schöne liegt im Banalen. Die Ausstellun­g in Burgrieden-Rot bei Laupheim dauert bis 2. Juli. Öffnungsze­iten: Mi.-Sa. 14-17 Uhr, So. 11-17 Uhr. Weitere Infos wie etwa zur Kunstvermi­ttlung unter www.villa-rot.de

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FOTO: LEONIE FELLE Dank Künstler Guido Weggenmann kann „Olga“(2014) sich wieder drehen. Dabei fliegen die sonst herunterhä­ngenden Strähnen wild umher und verhelfen der Bürste zu neuer Schönheit.

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