Überwiegend trocken
Der Sieg des VfB Stuttgart vom Montag wurde als weitere Etappe auf dem Weg zum Wiederaufstieg allseits gefeiert. Allseits? „Das ischt noch nicht in trockenen Tiichern“, bruddelte im SWR-Fernsehen ein gestandener Stuttgarter. Und wo er recht hat, hat er recht. Aber warum in trockenen Tüchern? Man versteht sofort, was jemand damit sagen will: Etwas ist befriedigend gelöst, erfolgreich abgeschlossen. Beim Gedanken an Flüchtlinge, die aus dem Mittelmeer gerettet werden, drängt sich dieses Bild von den trockenen Tüchern auch auf. Bei einem Fußballverein klingt es eher absonderlich. Und wenn man weiß, dass die Redensart wohl auf das Wechseln der Windeln bei Säuglingen zurückgeht, dann ist die Vorstellung von Kickern in frischen Pampers nicht ohne skurrilen Reiz. So schnell kann man sei solchen Wendungen danebenliegen. Nun gibt es noch mehr Redensarten rund um trocken: Da bleibt kein Auge trocken, jemand ist noch nicht trocken hinter den Ohren; sein Schäfchen ins Trockene bringen … Alle selbsterklärend. Zweierlei Bedeutung hat jedoch die Wendung auf dem Trockenen
sitzen. Zum einen will man damit sagen, dass jemand handlungsunfähig geworden ist. Das geht wohl auf das Bild von einem Schiff zurück, das auf Grund gelaufen ist. Zum anderen wird diese Formulierung oft ironisch gebraucht, wenn jemand ein leeres Glas vor sich hat. „Du sitzt ja auf dem Trockenen“, sagt der Gastgeber lachend und schenkt nach. Da bietet sich ein Abstecher an: Was soll eigentlich das Gerede von einem trockenen Wein? So hört man oft. Und in der Tat ist die Vorstellung von einer trockenen Flüssigkeit ja paradox. Erklärungen sind gar nicht so leicht zu finden. Einerseits könnte die Bezeichnung trocken – französisch sec, italienisch secco, englisch dry – für einen herberen Wein auf das Empfinden beim Trinken zurückgehen. Zieht sich aufgrund von mehr Gerbstoffen oder Säure bei weniger Zucker der Gaumen zusammen, so entsteht in der Tat kurz ein Gefühl von Trockenheit. Andererseits nannte man schon vor Jahrhunderten in Italien einen aus Trockenbeeren, also schon verschrumpelten Trauben, gekelterten, sehr schweren, süßen Wein vino secco. Und später hat sich die Bedeutung halt geändert. Wie auch immer: Wer gerade trocken lebt, dem kann das egal sein. Am besten er nimmt seine Abstinenz mit trockenem Humor. Übrigens auch ein Paradoxon. Denn unser Wort Humor kommt von lateinisch umor – und das heißt Feuchtigkeit. Aber das ist eine andere Geschichte. Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg
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