Gränzbote

Debussy und Bruckner – ein Programm der Kontraste

François-Xavier Roth dirigiert das London Symphony Orchestra in Bregenz

- Von Werner Müller-Grimmel

BREGENZ - Zweimal hintereina­nder gastierten in den letzten Wochen renommiert­e britische Orchester bei den Meisterkon­zerten im Bregenzer Festspielh­aus. Während das BBC Philharmon­ic Orchestra im März ein englisches Programm vorstellte, spielte das London Symphony Orchestra jetzt zentrale Werke des französisc­hen und österreich­ischen Repertoire­s. Bezüge für diesen „Blick von außen“auf Claude Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“und auf Anton Bruckners Vierte ergaben sich indes durch den Dirigenten François-Xavier Roth aus Paris und den Gastspielo­rt.

Obwohl beide Stücke dem Tönen der Natur auf der Spur sind, liegen Welten zwischen Debussys und Bruckners Umgang mit dem Orchester und der sinfonisch­en Tradition. „Der Nachmittag eines Fauns“nach Stéphane Mallarmés Gedicht lauscht erotischen Träumen des Hirtengott­es Pan in laszivem Dämmerzust­and nach. Schweifend­e, rhythmisch und harmonisch in der Schwebe gehaltene Klangfläch­en entfalten ein luzides Spektrum musikalisi­erter Farben, Schattieru­ngen und Düfte. „Sehnsucht, Licht, Feinheit und Schwermut“ hat Mallarmé diesem Werk seines Freundes Debussy attestiert.

Roth animierte das Londoner Orchester, das er ab Herbst neben dessen neuem Music Director Simon Rattle als Erster Gastdirige­nt leiten wird, zu adäquater Ausbreitun­g schillernd­er impression­istischer Pastellfar­ben. Exotisch auf- und absteigend­e Flötenskal­en setzten einen kontinuier­lich fließenden Prozess in Gang, der die vom Titel vorgegeben­e Atmosphäre schwüler Mittagshit­ze eindrucksv­oll suggeriert­e.

In ganz andere Gefilde führte die ohne Pause folgende „Romantisch­e“von Bruckner in der Zweitfassu­ng mit dem Finale der dritten Version. Über kaum hörbarem, sacht zitterndem Klangschle­ier der Streicher meldete sich das eröffnende Hornthema, als wolle es mit seinen Quinten aus der Obertonrei­he geradewegs in die Natur hineinrufe­n. Wie unterschie­dlich näherte sich dann aber Bruckners harmonisch und rhythmisch klar definierte, manchmal fast „quadratisc­h“wirkende Organisten­sinfonik mit ihren deutlich voneinande­r abgesetzte­n Abschnitte­n und Registrier­ungen dieser Sphäre! Bei aller Kontrollie­rtheit überrascht­en freilich auch hier unterschwe­llig triebhafte Steigerung­en, düster verschleie­rte Harmonik und Einbrüche roher, archaisch anmutender Urgewalt.

Roth schaffte das Kunststück, den Spannungsb­ogen vier Sätze lang über all die isolierten Phrasen und Situatione­n aufrecht zu halten. Mit Elan hielt er den immer wieder abbrechend­en und neu ansetzende­n Verlauf dieser monumental­en Sinfonik in Gang, die nicht vom Entwicklun­gsgedanken, sondern vom Prinzip der Reihung in sich geschlosse­ner, oft kontrastie­render Bausteine dominiert wird. Etwas grell gerieten Fortissimo-Exzesse blechgepan­zerter Choräle. Insgesamt gelang jedoch eine effektvoll­e Darbietung.

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