Sie macht wieder ihren Job
Die lang gesperrte Maria Scharapowa steht in Stuttgart im Viertelfinale und lässt alle Kritik an sich abperlen
STUTTGART (SID/dpa/sz) - Maria Scharapowa hatte für ihren zweiten großen Auftritt an einem denkwürdigen Abend eine schwarze Lederjacke und eine klassische Dutt-Frisur gewählt. Auf das folgende Blitzlichtgewitter reagierte die Russin nach ihrem geglückten Comeback beim PorscheGrand-Prix in Stuttgart ebenso gelassen wie auf die ein oder andere provokante Nachfrage. Wer darauf gesetzt hatte, dass die 30-Jährige in Folge ihrer 15-monatigen Dopingsperre wegen Meldoniummissbrauchs eine andere Einstellung zur Kommunikation am Arbeitsplatz bekommen hatte, der sah sich getäuscht.
„Was würde es ändern?“, konterte Scharapowa eine Frage, ob sie nach ihrer Zwangspause künftig netter zu den Kolleginnen sein würde. Die Slowakin Dominika Cibulkova etwa hatte der 30-Jährigen vorgeworfen, „kühl und arrogant“zu sein.
Scharapowa („Ich bin eine sanfte Seele“), die nach dem Sieg über die Italienerin Roberta Vinci am Donnerstag auch ihre Landsfrau Jekaterina Makarowa mit 7:5, 6:1 schlug und im Viertelfinale heute auch gegen die Estin Anett Kontaveit favorisiert sein wird, war es egal. „Ich mache meinen Job, bin immer nur kurz in der Umkleidekabine und gehe dann wieder. Ich habe viele Freunde zu Hause und überall auf der Welt“, sagte die frühere Nummer 1 und fügte in bestimmendem Tonfall an: „Diese Freundschaften zählen für mich.“
Zumindest nach außen hin lässt Scharapowa die Kritik an ihrer Wildcard kalt. Rivalin Eugenie Bouchard legte am Donnerstag allerdings nach. Scharapowa sei eine „Betrügerin“, die „nie wieder“spielen dürfe, sagte die Kanadierin. „Ich glaube, dass die WTA damit eine falsche Botschaft an die Kinder sendet: Betrüge und wir werden dich mit offenen Armen empfangen. Aber das ist keine Spielerin mehr, „zu der ich aufschauen kann.“
Scharapowa sagte nur: „Aussagen, Artikel – darauf kommt es im Leben nicht an. Mein Weg hat mich immerhin zu fünf Grand-Slam-Titeln geführt.“Den ersten hatte sie mit 17 geholt, in Wimbledon. 456 Tage war die große Blonde, geschätzte 300 Millionen Dollar schwer, weg. Immerhin konnte die Besitzerin der Süßwarenlinie Sugarpova die Zeit in der Verbannung ein wenig genießen und Dinge nachholen, die in der Knochenmühle Profitour auf der Strecke blieben. „Ich habe studiert, mein Geschäft weiterentwickelt und Freundschaften gepflegt“, sagte Scharapowa.
In einem öffentlichen Fitnessstudio in ihrer Wahlheimat Los Angeles nahm die stolze Russin aus Sibirien an einem Yoga-Kurs teil. Bevor sie wieder mit dem Racket für ihr Comeback schuftete, machte sie so viele Dauerläufe wie noch nie. „Seit Januar habe ich wirklich hart trainiert. Denn nur das, was letztlich auf dem Court passiert, ist entscheidend. Ich habe an allen Teilen meines Spiels gearbeitet – auch an meinem Service.“Der Ballwurf ist ein Hauch flacher geworden.
Die englischen Zeitungen rühmten ihre Leistung: „Wenn es Scharapowa gelingt, den verbleibenden Rost abzuschütteln und ihr Spiel für sich sprechen lässt, wird sie kaum aufzuhalten sein“, schrieb der „Guardian“. Ihre Form lege nahe, „dass sie nicht mehr lange auf Wildcards angewiesen sein wird“, meinte „The Sun“. Auch Vinci lobte die Rivalin „Maria ist schon wieder auf einem hohen Level.“
All die Kritik an ihrer Wildcard perlte an Scharapowa ab. „Ich habe dieses Gefühl vermisst, auf dem Platz Lösungen zu finden“, meinte sie, gegen Makarowa sei sie schon viel ruhiger gewesen, und ob sie eine Wildcard für die French Open (ab 28. Mai) erhalte, sei ihr egal: „Ich wäre auch darauf vorbereitet, bei den Juniorinnen zu spielen, wenn ich es müsste. Ich bekomme keine Trophäen auf dem Silbertablett, ich muss immer noch Spiele gewinnen.“
Laura Siegemund brilliert
Das muss auch die Metzingerin Laura Siegemund, die ebenfalls eine Wildcard erhalten hatte, und im Achtelfinale überraschend gegen die Russin Swetlana Kusnezowa, Nr. 9 der Welt, 6:4, 6:3 siegte – ihr sechster Erfolg gegen eine Top-Ten-Spielerin. „Irgendwie scheint der Platz mir zu liegen. Für eine gute Leistung ist ein Wohlfühlen ganz wichtig. Und hier fühle ich mich besser als bei jedem anderen Turnier“, sagte die 29-Jährige, die im Vorjahr als Qualifikantin erst im Finale gegen Kerber verloren hatte. Die Lokalmatadorin trifft jetzt auf Coco Vandeweghe (USA) oder die an zwei gesetzte Karolina Pliskova aus Tschechien (bei Andruck nicht beendet).
Siegemund, die in den ersten sieben Turnieren der Saison sechs Auftaktpleiten kassiert hatte, überzeugte von Beginn an mit druckvollem Spiel und führte schnell mit 4:1, nach 72 Minuten holte sie sich den ersten Satz mit einem Ass. Auch in der Folge führte sie die zweimalige Grand-Slam-Siegerin Kusnezowa phasenweise vor und ging schnell mit 4:0 in Führung.
„Das war ein Top-Sandplatzmatch“, lobte Bundestrainerin Barbara Rittner und traut ihrer Fed-CupSpielerin einiges zu. „Wenn sie so weiterspielt, kann sie jede schlagen.“