Wettergegerbt aus der APO zurück
Christian Lindner will die FDP wieder in den Bundestag führen
BERLIN - Mit dem klaren Anspruch, seine Partei wieder in den Bundestag zu führen, hat Parteichef Christian Lindner den FDP-Bundesparteitag in Berlin eröffnet. Er hat die langen außerparlamentarischen Tage genau gezählt. Die FDP sei jetzt wettergegerbt. „Nach 1315 Tagen APO haut diese Partei so leicht gar nichts mehr um“, sagte er unter dem Jubel des Parteitags. Die Liberalen seien in der Bundespolitik nötig, so Lindner. „In einer Zeit des Wandels ist das ,Weiter so‘ von Angela Merkel genauso gefährlich wie das ,Zurück‘ von Martin Schulz.“
In den 1315 Tagen der Opposition, so Lindner, habe er beobachtet, was die Große Koalition alles nicht entschieden habe und welcher Stillstand herrsche. Als Beispiel nennt er Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der „den Breitbandausbau verschlafen, aber den Maut-Irrsinn vorangetrieben hat. Umgekehrt wäre es besser gewesen.“Christian Lindner, der mit 91 Prozent als Parteichef bestätigt wurde, kämpft deshalb für einen neuen Aufbruch in Deutschland. Die Devise müsse sein: „Ihr könnt Großartiges leisten und wir wollen euch wieder machen lassen.“
Lindner mahnt aber auch Bescheidenheit an. „Das Comeback der FDP ist längst noch nicht erreicht, aber wir haben wieder die Chance“, sagt er. „Schauen wir nicht länger zu“, heißt das Motto des Parteitags in der alten Poststation in Berlin. „Wir können den Rauch der brennenden Themen bereits sehen“, so Lindner. Er zählt die Herausforderungen Brexit, Trump, Digitalisierung, Niedrigzinspolitik auf. Doch die Bundesregierung bewege sich wie ein Schlafwandler nur in der Komfortzone. Wie in der Digitalisierung, so seien auch in der Finanzpolitik nicht die richtigen Konsequenzen gezogen worden. „Niemand darf so mächtig werden, dass er mit Steuergeld gerettet werden muss“, fordert Lindner, das sei eine Perversion der Marktwirtschaft.
Hymne mitsingen
Lindner, der zur Zeit Fraktionschef der Liberalen in Düsseldorf ist, wo in zwei Wochen Landtagswahlen stattfinden, greift die Politik der Landesregierung von Hannelore Kraft ebenso an wie den CDU-Herausforderer Armin Laschet, der in seinen Fußballtipps seit Jahren auf „Unentschieden“setze.
Christian Lindner will die FDP wieder zum Anwalt des Mittelstands machen, sie werde sich für Steuererleichterungen einsetzen und klar zu Europa bekennen, verspricht er. Und weil er damit so oft zitiert wurde, geht er auch noch einmal auf Mesut Özil ein. Er habe nur gesagt, dass dieser Fußballer ruhig die Nationalhymne mitsingen könne, dass er ruhig stolz auf das Grundgesetz sein könne. Aber er selbst sei „keine „Hymnen-Polizei“.
Christian Lindners Rede kommt bei den Delegierten gut an. Pascal Kober, der schwäbische Ex-Bundestagsabgeordnete, hofft auf die Rückkehr nach Berlin und fasst die Stimmung in seiner Partei so zusammen. „Wir sind bescheiden, aber zuversichtlich.“In Versammlungen vor Ort merke er ein großes Interesse. Auch Marcel Aulila, Bundestagskandidat für Rottweil-Tuttlingen und Spitzenkandidat der Jungen Liberalen (Julis) im Land, hat ein gutes Gefühl, der Parteitag sei „ein Kick-off für das Gelingen der Bundestagswahl“.
Valentin Abel, Juli-Landeschef und Bundestagskandidat für Schwäbisch Hall und Hohenlohe, hält es für besonders wichtig, dass seine Partei die Bildungspolitik nach vorne stelle. Für Parteivize Wolfgang Kubicki ist das der Kern von mehr Gerechtigkeit: Die Leute zu befähigen, aus ihrem Leben das Beste zu machen. Wolfgang Kubicki hat an der Seite von Christian Lindner die letzten Jahre für die FDP geworben, er gilt wie Lindner als Gesicht der Partei.
Lindner betont, dass man ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahl gehen werde. Man werde die Eigenständigkeit betonen und die Chance auf das Comeback nicht verspielen, „indem wir uns zum nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen lassen“. Schließlich hat sich Lindner am Abend der Wahlniederlage 2013 eines geschworen: „Das letzte Bild der Geschichte der FDP – das wird nicht der Jubel der Grünen über unser Ausscheiden aus dem Bundestag sein.“