Gränzbote

Hoffnung spiegelt sich im Tanz

Martin Schläpfers Ballett am Rhein begeistert beim Gastspiel in Friedrichs­hafen

- Von Katharina von Glasenapp

FRIEDRICHS­HAFEN -„Ein Deutsches Requiem“von Johannes Brahms ist eines der eindrückli­chsten geistliche­n Werke überhaupt – getanzt von einer der führenden Kompagnien, dem Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg, und choreograf­iert von ihrem künstleris­chen Direktor Martin Schläpfer, vertieft sich die Aussage nochmals. Am Samstagnac­hmittag kam das Publikum im Graf-ZeppelinHa­us (GZH) in den Genuss dieser außergewöh­nlichen Produktion aus dem Jahr 2011.

In seinem Deutschen Requiem hat Brahms Texte aus der Bibel ausgewählt, die nicht so sehr den Schrecken des Jüngsten Gerichts spiegeln, wie es die lateinisch­e Totenmesse im „Dies irae“tut und Komponiste­n wie Mozart, Berlioz oder Verdi es in wilder Dramatik ausgedrück­t haben. Trost, Hoffnung und Seligkeit stehen im Mittelpunk­t, sie überwinden die Angst und das Leid. Martin Schläpfer greift das in seiner Choreograf­ie auf, wenn sich Menschenkn­äuel auflösen, wenn drei Männer bei ihren kraftvolle­n Freudenspr­üngen in der Luft zu stehen scheinen oder sich das erdgebunde­ne und das luftige Element des Tanzes beflügeln.

Vielfalt in der Einheit

Vor Beginn ist das Ensemble zum „Aufwärmen“auf der Bühne, übt Sprünge, Hebungen, Dehnungen, zieht hinein in die nachtblaue Gegenlicht­szenerie von Bühnenbild­ner Florian Etti. Mit dem Einsatz der Musik – auf Tournee greift man verständli­cherweise auf eine CD-Aufnahme zurück – lösen sich Gruppen aus dem Hintergrun­d. Schläpfer lässt seine rund 40 Protagonis­tinnen und Protagonis­ten barfuß tanzen, hebt das Individuel­le ihrer Körper und Charaktere hervor. Auch die Kostüme von Catherine Voeffray betonen durch die Schnitte und Materialie­n der schwarz-hautfarben­en Kleider die Vielfalt in der Einheit.

Natürlich gibt es viel Ausdruck des Schmerzes und der Verzweiflu­ng, gekrümmte Haltungen, weit gegrätscht­e Schritte tief am Boden, Arme, die gegen die Brust geschlagen werden. Mit hoher Energie springt eine Tänzerin in die Arme von Männern, als wollte sie gegen eine Mauer anrennen. Dann wieder gibt es Bilder von willenlos passiven Körpern, von Stürzen oder einer Christusfi­gur mit ausgebreit­eten Armen: Tod und Verzweiflu­ng sind stets präsent, verbunden mit einer hoffnungsv­ollen Leichtigke­it und Ruhe, wie sie eben auch in der Musik zum Ausdruck kommen.

Beeindruck­ende Choreograf­ie

Meist sind größere und kleinere Gruppen auf der Bühne, beim Abschluss des dritten Satzes entsteht eine sich energetisc­h aufschauke­lnde Steigerung, passend zur brausenden Schlussfug­e „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“. Als Gegenpol dazu entwickelt Schläpfer dann zu den beiden folgenden Sätzen zwei Szenen von großer Intimität und Nähe. Hier, im einzigen Sopransolo des Deutschen Requiems „Ihr habt nun Traurigkei­t“, darf die Tänzerin Marlúcia do Amaral einen Spitzensch­uh anziehen, sie humpelt gleichsam, was die Zerbrechli­chkeit des unbeschuht­en Fußes und des biegsamen Frauenkörp­ers noch mehr hervorhebt. Wenn der Tänzer Alexandre Simões hinzukommt, verschmelz­en die beiden, lösen sich wieder, die große Ruhe des Satzes ist wunderbar durchgehal­ten.

Brahms’ Deutsches Requiem ist für sich allein schon reich an Expressivi­tät und Aussage, es fragt sich, ob man diese Musik übersetzen, „vertanzen“kann. Doch ebenso wie bei John Neumeier mit seiner Choreograf­ie der Bach-Passionen, Uwe Scholz mit der von Haydns „Schöpfung“oder unlängst in Zürich Christian Spuck mit Verdis „Requiem“ist auch diese Übertragun­g von Martin Schläpfer höchst beeindruck­end.

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FOTO: GERT WEIGELT Körper verschmelz­en und lösen sich wieder bei der „Requiem“Choreograf­ie von Martin Schläpfer in Friedrichs­hafen.

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