Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit
DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit auf dem Marktplatz
TUTTLINGEN - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat am Montag den Tag der Arbeit unter dem Motto „Wir sind viele. Wir sind eins“auf dem Tuttlinger Marktplatz mit rund 200 Leuten gefeiert. Hauptredner war der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger. Er forderte eine gerechte Entlohnung, einen starken Sozialstaat und eine Rente, die nicht in der Altersarmut mündet.
„Demokratie, die einen Anspruch auf Teilhabe erhebt, und wachsende Ungleichheit schließen sich auf Dauer aus“, sagte Zitzelsberger. Daher forderte er, dass der gesellschaftliche Reichtum besser verteilt werden müsse. Der DGB-Mann kritisierte, dass von Amts wegen bekannt sei, wie viele Zahnbürsten im Badezimmer eines Hartz IV-Empfängers stehen würden, aber bei „Millionären hingegen noch nicht einmal erfasst ist, wie viele Millionen sie besitzen“.
Systematisch seien die Steuern abgeschafft oder so verändert worden, dass sie keinen Einblick in die Besitzverhältnisse der Reichen mehr geben würden, etwa bei der Vermögenssteuer oder der Erbschaftssteuer: „Große Vermögen und Besitztümer werden nicht ausreichend erfasst und völlig unzureichend besteuert“, urteilte Zitzelsberger.
Erhöhung des Spitzensteuersatzes
Daher forderte der IGM-Bezirksleiter eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für hohe Einkommen, das Ende der Abgeltungssteuer bei Zinsen und Dividenden, eine stärkere Heranziehung großer Vermögen und Erbschaften, die zügige Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer, eine effektive Bekämpfung von Steueroasen und Regeln zur Mindestbesteuerung von Unternehmen in der Europäischen Union: „Mit diesen Maßnahmen bricht im Land keineswegs der Sozialismus aus.“
Laut einer Umfrage des DGB, an der 680 000 Beschäftigte teilgenommen hätten, müsse es das Ziel sein, dass sich die Menschen nicht länger „den Zwängen des Marktes und Zufällen des Lebens ausgeliefert fühlen“. Daher seien weniger Leiharbeit, weniger Werkverträge, keine grundlose Befristung, keine unfreiwillige Teilzeit, keine Mini-Jobs und kein Niedriglohn erforderlich.
Zitzelsberger prangerte an, dass sich Teile der Arbeitgeber aus der Verantwortung stehlen und nicht einmal gewährleisten würden, dass der Lohn das Existenzminimum abdeckt. Für die Zukunft forderte er einen „Dreisprung“, um die Sicherheit und berufliche Perspektive der Mitarbeiter im Zuge der Industrie 4.0 zu gewährleisten: eine intelligente Industrieund Dienstleistungspolitik, eine Qualifizierungsoffensive und eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld.
Edmond Jäger, Vorsitzender des Tuttlinger DGB-Kreisverbands, hatte zuvor betont, dass sich die Arbeiter nicht nach Nationalität oder Herkunft spalten lassen sollten. Angesichts von Brexit, der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump habe man derzeit das Gefühl, dass „die Nationalisten und Abspalter auf dem Vormarsch“seien. Kernpunkte seiner Rede waren die soziale Gerechtigkeit, die Forderung nach einer gerechten Entlohnung guter Arbeit, die Handlungsfähigkeit des Staates sowie die Internationale.
So forderte Jäger etwa, dass sich die Arbeitgeber wieder paritätisch an der Finanzierung der Rente beteiligen sollten. Er brachte eine Mindestrente ins Spiel, die es in anderen europäischen Ländern, etwa Österreich, bereits geben würde. „Eine Demokratie ohne Sozialstaat findet keine Anhänger“, meinte Jäger. Daher müsse auch ein soziales Europa her.
Arbeiten und doch Aufstocken
Der katholische Betriebsseelsorger Thomas Maile betonte, dass der erste Mai nicht nur ein Feiertag, sondern auch ein „Kampftag der Arbeiterbewegung“sei. Auch er forderte, dass es keine Hungerlöhne geben dürfe. Im reichen Deutschland gebe es Armut und prekäre Arbeitsverhältnisse: „Es gibt Arbeiter, die so schlecht bezahlt werden, dass sie noch zum Jobcenter gehen müssen, um ihren Lohn aufzustocken.“Maile forderte eine größere Verteilungsgerechtigkeit: „Mit dem Reichtum ist es wie mit dem Mist. Auf einem Haufen stinkt er, weit verteilt, bringt er reiche Frucht und trägt zu einer guten Ernte bei.“