Gränzbote

Blitzbesuc­h in der Kaserne

Ursula von der Leyen besucht Standort Illkirch – Ermittler sprechen von rechtsextr­emer Gruppe in Bundeswehr

- Von Rasmus Buchsteine­r und dpa Zahlen zu fremdenfei­ndlichen und extremisti­schen Vorfällen finden Sie unter schwaebisc­he.de/ rechte-in-bundeswehr

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat bei einem Besuch im französisc­hen Illkirch die späte Aufdeckung der rechtsextr­emen Umtriebe in der Bundeswehr kritisiert. „Es hätte früher gemerkt werden müssen“, sagte die Ministerin – hier neben dem Generalins­pekteur der Bundeswehr, Volker Wieker (r.), und Heeresinsp­ekteur Jörg Vollmer (l., Foto: AFP). Einer Gruppe um den rechtsextr­emen Soldaten Franco A. sollen dem Vernehmen nach mindestens vier weitere Soldaten angehört haben. Als Konsequenz aus der Affäre kündigte von der Leyen an, die Disziplina­rordnung der Bundeswehr überprüfen zu wollen.

ILLKIRCH - Das ist er also, der Schauplatz des Skandals, die Kaserne des Bataillons, zu dem Oberleutna­nt Franco A. gehört. Hier, im elsässisch­en Illkirch fanden Bundeswehr­Ermittler am Wochenende Urkunden in Fraktursch­rift, Bilder von Wehrmachts­soldaten und Hakenkreuz­e an Zimmerwänd­en und in ein Sturmgeweh­r eingeritzt. Der 28-Jährige hat ein Doppellebe­n geführt, sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und allem Anschein nach einen Anschlag geplant. Wo Marco A. seinen Dienst leistete, stehen am Mittwoch die Soldaten in Reih und Glied.

Ursula von der Leyen (CDU) ist aus Berlin herbeigeei­lt. Die Verteidigu­ngsministe­rin will mit ihrem Besuch beim Jägerbatai­llon 291 ein Zeichen setzen. Schonungsl­ose Aufklärung sei jetzt das Gebot der Stunde, so ihre Botschaft. Sie sei aber auch gekommen, um den Soldaten den Rücken zu stärken. Die große Mehrheit mache eine hervorrage­nde Arbeit: „Wir sind stolz auf Sie!“

Doch ist der Blitzbesuc­h bei der Truppe wirklich ein Beitrag zur Aufklärung oder nur Show-Politik im Wahlkampf, eine Vorwärtsve­rteidigung, wie Kritiker sagen? Die Verteidigu­ngsministe­rin wird in den „Bunker“geführt, den Freizeitra­um der Soldaten in der Kaserne „Quartier Leclerc“, mit heroischen Wandbilder­n von Wehrmachts­soldaten und Nachbildun­gen von Gewehren aus Hitlers Armee. „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditions­stiftend für die Bundeswehr“, stellt von der Leyen klar. Das sei selbstvers­tändlich.

Die Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt will sich aus erster Hand informiere­n lassen, denn sie steht unter Druck wie nie zuvor. Von der Leyens Vorwurf, die Bundeswehr habe ein Haltungs- und ein Führungspr­oblem, kam in der Truppe als Pauschalkr­itik an.

Kanzlerin gibt Rückendeck­ung

Als sie in Illkirch eintrifft, kommt Rückendeck­ung aus Berlin. Die Ministerin habe ihre volle Unterstütz­ung, lässt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausrichten. Von der Leyen nimmt es zufrieden zur Kenntnis.

Auf dem Flug ins Elsaß hatte sie sich durchaus selbstkrit­isch gegeben. Über das Wochenende sei die ganze Dimension des Skandals auf ihrem Schreibtis­ch gelandet. „Mit diesem Informatio­nsvorsprun­g“habe sie sich geäußert, heißt es aus ihrer Delegation. Im Klartext: Die Ministerin bedauert inzwischen das Pauschale an ihrer Kritik. Aber sie will etwas verändern an der Führungsku­ltur der Truppe. Daran lässt sie keinen Zweifel. Erst die Übergriffe in Pfullendor­f, Sondershau­sen und Bad Reichenhal­l, jetzt Illkirch – mit viel Kraft und Ernsthafti­gkeit müsse nun die Aufklärung vorangetri­eben werden, so von der Leyen.

Inzwischen sind die Vorgänge rund um die Masterarbe­it von Franco A. weitergehe­nd aufgeklärt. Ein Gutachter hatte das Werk seinerzeit als „radikalnat­ionalistis­chen, rassistisc­hen Appell“eingestuft. Jetzt heißt es, Franco A.'s direkter Vorgesetzt­er sei der Fall zu heiß gewesen, er habe den Fall daher zur Entscheidu­ng an das Streitkräf­teamt weitergege­ben. Dessen Amtschef, Generalmaj­or Werner Weisenburg­er, habe gegen Disziplina­rmaßnahmen und eine Einschaltu­ng des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes (MAD) votiert, heißt es aus von der Leyens Delegation. Franco A. bekam danach eine zweite Chance bei der Bundeswehr, wurde Berufssold­at.

Wie war das trotz der Hinweise auf seine rechtsextr­eme Gesinnung möglich? Gab es eine Todesliste, auf der auch Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier und Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) standen? Diese Fragen bleiben offen. Die Ministerin kündigt allerdings Veränderun­gen an der Wehrdiszip­linarordnu­ng an. Auch personelle Konsequenz­en schließt sie nicht aus.

Im Visier der Ermittler ist jetzt auch ein zweiter Soldat aus der Kaserne in Illkirch. Einer möglichen rechtsextr­emen Gruppe um Franco A. sollen dem Vernehmen nach noch mindestens vier weitere Soldaten angehört haben. Darunter soll ein in Österreich lebender Reservist sein, der 2016 gemeinsam mit A. an einer Wehrübung in Illkirch teilgenomm­en haben soll.

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FOTO: DPA Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) ist – trotz aller Kritik – stolz auf die Truppe.

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