Gränzbote

Experten loben Entscheidu­ng der Eltern

Schulpsych­ologen plädieren für mehr Beratung bei der Suche nach der richtigen Schulart

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Grundschul­empfehlung bekommt wieder einen anderen Stellenwer­t. Bis zur Regierungs­übernahme von Grünen und SPD in Baden-Württember­g 2011 entschiede­n die Grundschul­lehrer darüber, auf welche weiterführ­ende Schulart Kinder wechseln. Seit dem Schuljahr 2012/2013 entscheide­t allein der Elternwill­e. Das bleibt auch weiterhin so, allerdings müssen Eltern die Empfehlung ab kommendem Jahr den aufnehmend­en Schulen wieder vorlegen. Das hat der Landtag am Mittwoch mit großer Mehrheit beschlosse­n. Während der Realschull­ehrerverba­nd dafür klar plädiert hatte, sehen das die Schulpsych­ologen im Land kritisch.

Für Karin Broszat, Vorsitzend­e des Realschull­ehrerverba­nds in Baden-Württember­g, muss der Mittwoch ein Tag zur Freude gewesen sein. „Seit die grün-rote Landesregi­erung die verbindlic­he Grundschul­empfehlung seinerzeit abgeschaff­t hat, kommen Kinder quasi ohne ‚Bildungsve­rgangenhei­t‘ an den weiterführ­enden Schulen an“, hatte sie vor einigen Wochen der „Schwäbisch­en Zeitung“gesagt. Für Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) war dies der Hauptgrund für ihren Gesetzentw­urf: Weiterführ­ende Schulen sollten wieder um den Lernstand der Kinder wissen, um diese gezielter fördern zu können.

„Wir Schulpsych­ologen hätten es begrüßt, wenn man die Änderung nicht vorgenomme­n hätte, sondern wenn man die Eltern darin bestärkt hätte, Beratungsg­espräche anzunehmen“, sagt hingegen Schulpsych­ologin Nina Großmann. Die Vorsitzend­e des Landesverb­andes der Schulpsych­ologinnen und Schulpsych­ologen verweist auf Beratungsa­ngebote, die es bereits gibt – aber noch viel zu selten in Anspruch genommen würden.

Überall im Land gibt es Beratungsl­ehrkräfte, die auf Wunsch der Eltern einen Blick von außen auf ihr Kind werfen. Es sind speziell geschulte Lehrkräfte, die das Kind nicht unterricht­en. Sie sprechen mit dem Kind, führen mit ihm psychologi­sche Test durch und ziehen die Eltern zu Beratungsg­esprächen heran. Dieser unabhängig­e Blick kann laut Großmann eine gute Ergänzung sein zu der Grundschul­empfehlung, die das Kind von seinen Lehrern ausgestell­t bekommt. Großmanns Vorschlag: Den Eltern, die nicht der Grundschul­empfehlung folgen wollen, solch eine zusätzlich­e Beratung empfehlen.

„Vor 2012 war die Grundschul­empfehlung für die Eltern ein extremer Stressfakt­or“, erinnert sich Großmann. „Den Zustand hatten wir jetzt nicht mehr. Die Änderung wird wieder mehr Stress bedeuten, gerade für die Kinder.“Ähnlich äußert sich Thorsten Gabor, Vorsitzend­er des Netzwerks Schulsozia­larbeit BadenWürtt­emberg. „Das Konfliktpo­tenzial für Eltern, das darin steckt, dass andere über ihr Kind entscheide­n, nehme ich nicht mehr so wahr.“Viele Eltern fragten auch bei den Schulsozia­larbeitern nach, welche Schulart sie für ihr Kind empfehlen. „Ich nehme in der Mehrzahl wahr, dass Eltern sehr verantwort­lich mit der Entscheidu­ng umgehen“, so Tabor.

Eltern prüfen zivilen Ungehorsam

Für den frisch wiedergewä­hlten Vorsitzend­en des Landeselte­rnbeirats ist die Grundschul­empfehlung an sich ein schlechtes Instrument. „Das ist keine solide Diagnostik, kein Vorhersage­instrument“, sagt Carsten Rees. Er bezieht sich auf Studien, die der Empfehlung eine Aussagekra­ft von etwa 60 Prozent bescheinig­ten. Mit Verweis auf Bildungsex­perten fordert er, dass Kinder frühestens nach der sechsten Klasse getrennt werden. Der Landeselte­rnbeirat wehrt sich daher gegen die Vorlage der Grundschul­empfehlung und prüft laut Rees „Methoden des zivilen Ungehorsam­s“.

 ?? FOTO: DPA ?? Eltern müssen den weiterführ­enden Schulen die Grundschul­empfehlung künftig wieder vorlegen.
FOTO: DPA Eltern müssen den weiterführ­enden Schulen die Grundschul­empfehlung künftig wieder vorlegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany