Reporter hinter Gittern
Manche Zeitungsmacher sitzen im Gefängnis, wie die Redakteure der „KlickKlack“in der JVA Mannheim
MANNHEIM (lsw) - Die Redaktion der „KlickKlack“misst höchstens 20 Quadratmeter. Monitore flackern, Computer summen leise. In der Luft liegt der Geruch von Kaffee. Aber die Kellerfenster in dem unterirdischen Büro sind vergittert, einen Internetzugang gibt es nicht. Aus Sicherheitsgründen wird die Gefangenenzeitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim offline produziert.
„Eigentlich ist die „KlickKlack“das einzige echte Sprachrohr der Häftlinge“, sagt Sven Möller. Er ist einer der sechs Häftlinge, die an den vier Ausgaben im Jahr arbeiten. Sven Möller ist nicht der richtige Name des 40 Jahre alten Häftlings. Der gelernte Industrieelektroniker wird bald aus dem Gefängnis entlassen. Da will er seinen echten Namen lieber nicht nennen.
Für drei Euro ist das Magazin am Kiosk „Knackpunkt“der JVA erhältlich. Neben Gefangenen schmökern auch Anwälte und andere interessierte Leser in dem Heft, das seit 1976 erscheint und eine der ältesten Gefangenenzeitungen Deutschlands ist. Bis vor einigen Jahren hieß das Blatt „Die Klette“. Wie bei der Theatergruppe oder beim Kirchenchor, so gilt auch die Arbeit bei der Gefangenenzeitung als sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
Tipps zum Krafttraining
Nach Angaben des Justizministeriums in Stuttgart wird die Anzahl der Gefangenenzeitungen im Land nicht gesondert erfasst. Sicher sei, dass sie in vielen Justizvollzugsanstalten des Landes existierten.
Themen der „KlickKlack“sind etwa die Überbelegung der JVA, Wartezeiten am Landgericht oder auch Fragen zu Rentenansprüchen. Tipps zum Krafttraining werden ebenso von der Redaktion geliefert wie Kochrezepte. Bei Umfragen kommen auch Häftlinge zu Wort. Die größte Justizvollzugsanstalt Baden-Württembergs ist ein Universum für sich. Hier arbeiten etwa 350 Gefangene in zwölf verschiedenen Betrieben. Es gibt eine Metzgerei, eine Bäckerei. Auch Garten- oder Büromöbel stellen die Gefangenen in Mannheim her.
Wie alle Einrichtungen in einer JVA, so unterliegt auch die Gefangenenzeitung dem Anstaltsrecht, daher gilt das Presserecht nur zum Teil. Die Anstaltsleitung kann also in bestimmten Fällen ihr Veto einlegen, etwa wenn bei einem Beitrag die Grenzen des guten Geschmacks überschritten oder allzu kontroverse Themen einseitig dargestellt werden. „Das ist vielleicht nachvollziehbar. Ein Problem bleibt es aber. Denn auf diese Weise können auch leicht unbequeme Themen ausgeklammert werden“, sagt Sven und lacht gequält.
Wie aber recherchieren die ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre Geschichten ganz konkret? „Einfach mal schnell telefonieren oder etwas im Internet prüfen ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich“, sagt Miriam Wolf. Die Sozialarbeiterin der JVA kommt beispielsweise ins Spiel, wenn die Gefangenen in dem kleinen Redaktionsbüro nicht weiterkommen und nur sie mit einem Anruf nach draußen helfen kann. Die Journalisten hinter Gittern nutzen auch Tageszeitungen, Magazine oder Radiosendungen, um die begehrten Informationen von außen zu erhalten. „Wir sind weitgehend abgeschottet. Das macht die Arbeit nicht einfach“, sagt Markus, der mehrmals in der Woche bei der „KlickKlack“arbeitet.
Thema Überbelegung
„Wir versuchen natürlich über Vorgänge zu berichten, die uns als Gefangene besonders beschäftigen“, sagt der 42 Jahre alte Mann, der wegen einer größeren Drogengeschichte in der JVA einsitzt. Auch er heißt im wahren Leben nicht Markus. Die Überbelegung sei ein besonders brisantes Thema.
In der JVA gibt es offiziell 670 Haftplätze und etwa 700 Gefangene. Markus selbst hat gerade einen Beitrag zum Thema „Reichsbürger“verfasst. Ein solcher sitze auch in Mannheim ein.