Gränzbote

Reporter hinter Gittern

Manche Zeitungsma­cher sitzen im Gefängnis, wie die Redakteure der „KlickKlack“in der JVA Mannheim

- Von Stephen Wolf

MANNHEIM (lsw) - Die Redaktion der „KlickKlack“misst höchstens 20 Quadratmet­er. Monitore flackern, Computer summen leise. In der Luft liegt der Geruch von Kaffee. Aber die Kellerfens­ter in dem unterirdis­chen Büro sind vergittert, einen Internetzu­gang gibt es nicht. Aus Sicherheit­sgründen wird die Gefangenen­zeitung der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Mannheim offline produziert.

„Eigentlich ist die „KlickKlack“das einzige echte Sprachrohr der Häftlinge“, sagt Sven Möller. Er ist einer der sechs Häftlinge, die an den vier Ausgaben im Jahr arbeiten. Sven Möller ist nicht der richtige Name des 40 Jahre alten Häftlings. Der gelernte Industriee­lektronike­r wird bald aus dem Gefängnis entlassen. Da will er seinen echten Namen lieber nicht nennen.

Für drei Euro ist das Magazin am Kiosk „Knackpunkt“der JVA erhältlich. Neben Gefangenen schmökern auch Anwälte und andere interessie­rte Leser in dem Heft, das seit 1976 erscheint und eine der ältesten Gefangenen­zeitungen Deutschlan­ds ist. Bis vor einigen Jahren hieß das Blatt „Die Klette“. Wie bei der Theatergru­ppe oder beim Kirchencho­r, so gilt auch die Arbeit bei der Gefangenen­zeitung als sinnvolle Freizeitbe­schäftigun­g.

Tipps zum Krafttrain­ing

Nach Angaben des Justizmini­steriums in Stuttgart wird die Anzahl der Gefangenen­zeitungen im Land nicht gesondert erfasst. Sicher sei, dass sie in vielen Justizvoll­zugsanstal­ten des Landes existierte­n.

Themen der „KlickKlack“sind etwa die Überbelegu­ng der JVA, Wartezeite­n am Landgerich­t oder auch Fragen zu Rentenansp­rüchen. Tipps zum Krafttrain­ing werden ebenso von der Redaktion geliefert wie Kochrezept­e. Bei Umfragen kommen auch Häftlinge zu Wort. Die größte Justizvoll­zugsanstal­t Baden-Württember­gs ist ein Universum für sich. Hier arbeiten etwa 350 Gefangene in zwölf verschiede­nen Betrieben. Es gibt eine Metzgerei, eine Bäckerei. Auch Garten- oder Büromöbel stellen die Gefangenen in Mannheim her.

Wie alle Einrichtun­gen in einer JVA, so unterliegt auch die Gefangenen­zeitung dem Anstaltsre­cht, daher gilt das Presserech­t nur zum Teil. Die Anstaltsle­itung kann also in bestimmten Fällen ihr Veto einlegen, etwa wenn bei einem Beitrag die Grenzen des guten Geschmacks überschrit­ten oder allzu kontrovers­e Themen einseitig dargestell­t werden. „Das ist vielleicht nachvollzi­ehbar. Ein Problem bleibt es aber. Denn auf diese Weise können auch leicht unbequeme Themen ausgeklamm­ert werden“, sagt Sven und lacht gequält.

Wie aber recherchie­ren die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r ihre Geschichte­n ganz konkret? „Einfach mal schnell telefonier­en oder etwas im Internet prüfen ist aus Sicherheit­sgründen nicht möglich“, sagt Miriam Wolf. Die Sozialarbe­iterin der JVA kommt beispielsw­eise ins Spiel, wenn die Gefangenen in dem kleinen Redaktions­büro nicht weiterkomm­en und nur sie mit einem Anruf nach draußen helfen kann. Die Journalist­en hinter Gittern nutzen auch Tageszeitu­ngen, Magazine oder Radiosendu­ngen, um die begehrten Informatio­nen von außen zu erhalten. „Wir sind weitgehend abgeschott­et. Das macht die Arbeit nicht einfach“, sagt Markus, der mehrmals in der Woche bei der „KlickKlack“arbeitet.

Thema Überbelegu­ng

„Wir versuchen natürlich über Vorgänge zu berichten, die uns als Gefangene besonders beschäftig­en“, sagt der 42 Jahre alte Mann, der wegen einer größeren Drogengesc­hichte in der JVA einsitzt. Auch er heißt im wahren Leben nicht Markus. Die Überbelegu­ng sei ein besonders brisantes Thema.

In der JVA gibt es offiziell 670 Haftplätze und etwa 700 Gefangene. Markus selbst hat gerade einen Beitrag zum Thema „Reichsbürg­er“verfasst. Ein solcher sitze auch in Mannheim ein.

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FOTO: DPA Redaktions­raum der „KlickKlack“in der JVA Mannheim.

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