In NRW ist noch alles drin
Die CDU holt auf den letzten Metern auf – Entscheidung zwischen Kraft und Laschet
BERLIN - Der Wahlkampf an Rhein und Ruhr ist längst in der heißen Phase. Die CDU scheint auf den letzten Metern noch aufzuholen. NordrheinWestfalen gilt als Herzkammer der SPD; Sieg oder Niederlage in diesem Land ist immer ein Vorzeichen für die Bundestagswahl. Deshalb wird das Duell an Rhein und Ruhr auch besonders aufmerksam verfolgt.
Lange Zeit war SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft siegesgewiss. Doch diese Zuversicht ist etwas erschüttert. Lag die SPD im März noch bei 37 Prozent, so sagt die jüngste Umfrage nur noch 35 voraus. Und, was genauso schwer wiegt, der grüne Koalitionspartner der SPD schwächelt. Seit März werden die Grünen, die bei der letzten Wahl auf über elf Prozent kamen, konstant bei nur noch sechs Prozent gehandelt. Damit wäre Rot-Grün kaum möglich.
Hannelore Kraft (56) ist seit sieben Jahren in NRW Ministerpräsidentin. Sie setzt auf ihre Ausstrahlung als sympathische und praktisch orientierte Landesmutter. Die ersten zwei Jahre regierte sie das Land Rot-Grün mit einer Minderheitsregierung und Duldung der Linken, bei vorgezogenen Neuwahlen im Mai 2012 errang die SPD 39,1 Prozent, die Grünen 11,3 Prozent. Seitdem regiert Kraft mit ihrer grünen Vize, Kultusministerin Sylvia Löhrmann.
Ihr Herausforderer Armin Laschet ist seit fünf Jahren CDU-Chef des Landes und seit vier Jahren Oppositionsführer im Landtag. Laschet, dessen Vater Bergmann war, war in der Vorgängerregierung von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von 2005 bis 2010 Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Laschet gilt als liberaler und kompromissfähiger CDUPolitiker. Kraft oder Laschet – das ist jetzt die Frage. Im einzigen Fernsehduell der beiden am Dienstagabend traten Hannelore Kraft und Armin Laschet beide angestrengt temperamentvoll, aber dann doch auch mit sehr viel Gemeinsamkeiten auf.
Stauland NRW
Beide wollen die Zahl der Polizisten erhöhen und Einbrüche vermindern, beide wollen Kinderarmut bekämpfen und in der Schulpolitik sowohl G 8 als auch G 9 beibehalten. Bei Kraft sollen allerdings die Schüler entscheiden, ob sie auf ihrer Schule acht oder neun Jahre machen, bei Laschet sollen die Gymnasien entscheiden, ob sie G 8 oder G 9 anbieten.
Im Stauland NRW versichern beide, in den Straßenbau zu investieren. Hier allerdings bietet die Regierung Kraft Angriffspunkte: Seit dem Amtsantritt von Verkehrsminister Michael Groschek habe sich die Zahl der Staus verdoppelt, so Laschet. Und Autobahnmittel hätten nicht eingesetzt werden können, weil in NRW baureife Projekte fehlten.
Das größte Problem von Hannelore Kraft aber ist ihr Innenminister Ralf Jäger. Der hat bei den Silvesterausschreitungen in Köln keine gute Figur gemacht und im Fall Anis Amri erst recht nicht. Der Attentäter von Berlin wurde nicht abgeschoben. Kraft schreibt die Schuld dem Terrorismusabwehrzentrum zu, Amri sei von Berlin aus abgestuft worden. Sie hält an Jäger fest. Eher schwach erschien auch Krafts Abwiegelung, von den Kölner Silvestervorgängen habe sie vier Tage nichts gehört, weil sie nicht in Köln wohne. Doch auch Laschet konnte beim Fernsehduell außerhalb der Themen Innere Sicherheit und Verkehr wenig punkten. Oft herrscht Einvernehmen mit Kraft, so dass am Ende ein Hauch von Großer Koalition in der Luft lag. Kraft und Laschet – die beiden kann man sich zusammen in der Regierung vorstellen. Signale für eine Große Koalition sah auch der Münsteraner Politikwissenschaftler Klaus Schubert. „Im Kern ist bei der Debatte nichts auf den Tisch gekommen, was die beiden Spitzenkandidaten in Koalitionsgesprächen nicht überwinden können“, sagte Schubert. Ziel beider aber sind natürlich andere Konstellationen. Dafür wird Kraft zusammen mit Martin Schulz noch einmal kämpfen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Laschet konzentrieren sich auf die ländlichen Bereiche. Die CDU wirft der rot-grünen Landesregierung vor, die ländlichen Räume zu vernachlässigen. CDU-Spitzenkandidat Laschet denkt laut über die Bildung eines Ministeriums für Heimat und ländlichen Raum nach.