„Die Probleme und Missstände werden vertuscht und geleugnet“
RAVENSBURG - Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger (Foto: Drescher) kritisiert im Gespräch mit Alexei Makartsev die mangelnde Führungskultur bei der Bundeswehr und wirft Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Selbstprofilierung vor.
Gibt es eine Kultur des Wegschauens bei der Bundeswehr, die mit Skandalen Schlagzeilen macht?
Immer wieder erreichen mich besorgniserregende Beschwerden von Soldaten und Soldatinnen, dass sie Probleme und Missstände melden und dann wenig passiert, in schlimmen Fällen vertuscht und geleugnet wird oder sie gar Nachteile zu fürchten haben. So unterschiedlich alle Enthüllungen zu verschiedenen Standorten der letzten Wochen sind, verbindet sie genau diese Tatsache. Im aktuellen Fall ist es ein besonders ungeheuerlicher Fehler, dass man die Masterarbeit des betreffenden Soldaten, in der menschenfeindliches, rechtsextremistisches und verschwörungstheoretisches Gedankengut sehr deutlich nachzulesen war, ignoriert hat. Diese Hinweise wurden falsch beurteilt und nicht weitergegeben. Das ist für mich völlig unerklärlich und das ist für mich auch unverzeihlich. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat mehrfach eine andere Führungskultur angekündigt. In den letzten Wochen ist offensichtlich geworden, dass dies nur leere Versprechungen waren und sie hier nicht viel erreicht hat.
Könnte es rechtsradikale Netzwerke bei der Bundeswehr geben?
Die Ministerin muss bei dieser und weiteren offenen Fragen schnellstmöglich alle Fakten auf den Tisch legen, damit wir schnell ein belastbares Gesamtbild bekommen. Es wäre ein absolutes Horrorszenario, wenn über Jahre hinweg hier ein rechtes Netzwerk um Franco A. unbehelligt sein Unwesen treiben konnte. Für Rechtsextremismus darf kein Platz und keine Toleranz in der Bundeswehr sein. Weder darf man verharmlosen, noch alle Soldatinnen und Soldaten unter Generalverdacht stellen.
Was muss passieren, um Fälle wie diesen in Zukunft auszuschließen?
Über Jahre hat das Verteidigungsministerium bei unseren Nachfragen zu rechten Tendenzen in der Bundeswehr abgewiegelt und behauptet, das Problem sei nicht größer als in der restlichen Gesellschaft auch. So etwas wie der Fall Franco A. darf sich nicht wiederholen. Wenn es wie in Pfullendorf, Illkirch, Sondershausen und Bad Reichenhall Hinweise auf Missstände gibt, müssen sie auch - anders als bisher - konsequent untersucht und aufgeklärt werden. Es braucht jetzt größere Wachsamkeit und mehr Sensibilität.
Ursula von der Leyen hat die Verantwortung für die Missstände übernommen. Ist das genug?
Ursula von der Leyen redet nach massiver Kritik von allen Seiten nun zwar von ihrer Gesamtverantwortung. Es hat aber nicht viel mit Verantwortung zu tun, wenn eine Ministerin angesichts dieser gravierenden Vorfälle die Schuld weit von sich schiebt. Sie sorgt sich in erster Linie einmal mehr nur um ihre eigene Darstellung, statt um die richtigen Antworten. So wird sie ihrer wichtigen Aufgabe alles andere als gerecht. Ich erwarte jetzt von Ursula von der Leyen keine weiteren Profilierungsversuche, sondern ehrliche Selbstkritik und schnellstmögliche Aufklärung.