Fernsehduell als Lehrstunde
Die Präsidentschaftskandidaten Macron und Le Pen liefern sich verbalen Boxkampf
PARIS - Marine Le Pen setzte von der ersten Minute an auf Frontalangriff. „Sie sind der Kandidat der wilden Globalisierung, der sozialen Brutalität“, begann die Kandidatin des Front National die Fernsehdebatte mit Emmanuel Macron fünf Tage vor der Stichwahl um das französische Präsidentenamt. Der Sieger der ersten Runde profitierte jedoch schnell von den Wirtschaftsfragen, die gleich am Anfang des Duells standen. Wie ein Lehrer maßregelte der ehemalige Wirtschaftsminister die Rechtspopulistin, die sich bei den Unternehmen irrte, in denen der Staat ihrer Ansicht versagt hatte. „Sie verwechseln Telefone und Turbinen“, sagte der 39-Jährige milde lächelnd. „Sie haben ein großes Problem mit den Industriethemen. Sie arbeiten nicht genug daran“, kritisierte der MitteLinks-Kandidat schulmeisterlich.
Le Pen attackierte Macron vor allem als Minister von Präsident François Hollande. „Wenn Sie das Rezept hatten, um die Arbeitslosigkeit zu verringern, warum haben Sie es dann nicht gemacht?“, fragte die 48-Jährige ihren neun Jahre jüngeren Rivalen, der sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen ließ. Gelassen nannte der Polit-Neuling alle Zahlen, die er im Kopf hatte, während die Rechtspopulistin in ihren Unterlagen nach den Daten suchen musste. „Sie haben keine Strategie. Ihre Strategie ist nur, viele Lügen zu erzählen und zu sagen, was nicht läuft. Aber sie schlagen nichts vor“, warf Macron der Rechtspopulistin zum Thema Arbeitslosigkeit vor.
Die spannungsgeladene Debatte glich in weiten Teilen einem verbalen Boxkampf, bei dem beide Kandidaten oft gleichzeitig sprachen. Le Pen war dabei meist diejenige, die angriff, doch Macron parierte die Attacken mit Detailkenntnis. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos dürfte Macron die Stichwahl am Sonntag mit 59 zu 41 Prozent der Stimmen gewinnen. Wirklich überzeugt hat der Ex-Minister die Franzosen aber dennoch nicht: 47 Prozent der Befragten gaben an, seine Persönlichkeit nicht zu mögen. Bei Marine Le Pen sind es 60 Prozent.
Die Fernsehdebatte vor der Stichwahl findet traditionell in Frankreich ein Millionenpublikum. In diesem Jahr sind besonders viele Wähler noch unentschlossen: 18 Prozent sollen noch nicht wissen, wo sie am Sonntag ihr Kreuzchen machen.