Südkoreas Wähler sehnen eine radikale Reform herbei
Südkorea wählt am 9. Mai einen neuen Präsidenten. Das bevorstehende Votum scheint nur wenige Menschen im Land aufzuregen. Umfragen suggerieren, dass sich die meisten Südkoreaner mehr für die Wirtschaftspolitik als für die nationale Sicherheit interessieren.
Vom Ernst der Lage nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, das Problem mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un im Ernstfall allein und mit Waffen zu lösen, ist wenig zu spüren. Wer mit Seouler Einwohnern das heikle Thema anspricht, erntet oft verbissene Gesichter oder nervöses Lachen. „Wir leben doch wie der Schinken im Sandwich zwischen den Interessen von Amerika und China. Jeden Tag können wir in diesen Konflikt hineingezogen werden, den von uns niemand wirklich will“, meint die Verkäuferin Lee Su Hyun.
In einer Befragung der rechts von der Mitte orientierten Zeitung „Dong-a Ilbo“ist nur für neun Prozent der Wähler interessant, welche Haltung das neue Staatsoberhaupt gegenüber Nordkorea und dessen atomarer Bedrohung einnimmt. Dagegen wünschen sich 45 Prozent eine radikale Reform der Ökonomie und würden nur einen Kandidaten wählen, der ihnen ein Ende der korrupten Vetternwirtschaft in der von Familienclans geführten Großindustrie verspricht.
Das hat viel damit zu tun, warum überhaupt vorzeitig gewählt werden muss. Die vom Parlament aus dem Amt gejagte Staatschefin Park Geun Hye, Tochter eines früheren Militärdiktators, sitzt inzwischen als Untersuchungshäftling in einem Gefängnis. Ihr wird Amtsmissbrauch, Korruption, Veruntreuung und Pflichtverletzung vorgeworfen. Park ist das erste Staatsoberhaupt Koreas, das des Amtes enthoben wurde. Auch der mächtigste Wirtschaftsführer des Landes, der designierte Chef und Erbe des gigantischen Samsung-Konzerns, Lee Jae Yong (48), sitzt im Gefängnis, weil gegen ihn wegen Bestechung ermittelt wird.
Politisches Erdbeben erwartet
Beide Ereignisse werden Südkorea grundlegend verändern, hoffen jedenfalls viele Wähler. Drei Viertel von ihnen denken, die fünf Jahre währende Amtszeit im Blauen Haus sei zu lang und aus der politischen Zeit gefallen. Auch dass diese Wahl von den Parlamentswahlen entkoppelt ist und ein Präsidialregime mit nahezu unbeschränkten Vollmachten hervorbringt, finden immer mehr Südkoreaner undemokratisch. Ob und wann die Verfassung geändert werden könnte, hängt maßgeblich vom bevorstehenden Wahlausgang ab.
Vieles spricht dafür, dass es beim 19. Präsidentschaftsvotum Südkoreas ein politisches Erdbeben geben könnte. Die konservative Saenuri-Partei der letzten beiden Staatschefs steht nach dem peinlichen Abgang Parks vor einem Scherbenhaufen. Interimspräsident und Premierminister Hwang Kyo Ahn erklärte im März, er trete nicht an. Einen Monat zuvor hatte der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wegen möglicher Verstrickungen in eine familiäre Korruptionsaffäre das Handtuch geworfen.
Die größten Chancen werden dem linksliberalen Kandidaten Moon Jae In von der Minju-Partei eingeräumt, der auch in jüngsten Umfragen führt. Ihm wird nachgesagt, er werde sich um ein entspanntes Verhältnis zu Nordkorea bemühen und sei sogar zu einem Treffen mit Kim Jong-un bereit.