Greenpeace kritisiert Schweinehaltung
Haltungsbedingungen laut Rechtsgutachten gesetzeswidrig – Unverständnis vom Bauernverband
RAVENSBURG - Die in Deutschland geltenden Vorschriften zur Haltung von Mastschweinen verstoßen laut einem Gutachten gegen das Tierschutzgesetz. Zu diesem Schluss kommen Rechtsanwälte der Hamburger Kanzlei Günther im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die zugelassenen Haltungsbedingungen schränkten die Bewegungsfreiheit der Tiere „massiv“ein und fügten den Tieren „Schmerzen, Leiden und Schäden“zu, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten gut 60-seitigen Papier. Die Regeln der Nutztierhaltungsverordnung verstießen gegen die im Tierschutzgesetz verankerte „Pflicht zu einer angemessenen Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung“.
Die in der Verordnung festgeschriebenen Haltungsvorschriften müssten „dringend“verschärft werden, forderte Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe. Ein Beispiel: Für ausgewachsene Tiere wird laut Tierschutznutztierverordnung ein Platzangebot von lediglich 0,75 Quadratmetern als ausreichend erachtet. „Die Haltung muss den Bedürfnissen der Tiere angepasst werden – nicht die Tiere den Haltungsbedingungen.“
Greenpeace verwies auf Bilder aus Ställen, die Mastschweine zentimetertief in ihrem eigenen Kot mit Verletzungen oder Verhaltensstörungen zeigten. Viele Tiere litten aufgrund der Haltungsbedingungen an Klauenund Gelenkerkrankungen sowie Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten, erklärte die Organisation.
Rechtsanwältin und Co-Studienautorin Davina Bruhn bezeichnete eine Änderung der Nutztierhaltungsverordnung als „zwingend geboten“. Ihrer Einschätzung zufolge verstoßen die Vorschriften zur Haltung von Mastschweinen gegen die Vorgaben des Tierschutzgesetzes sowie gegen das Grundgesetz. Die Anwälte bezogen sich auf Artikel 20a, wonach der Staat Tiere „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“schützen solle.
Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“forderte Bruhn Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) auf, tätig zu werden und die Anforderungen, die das Tierschutzgesetzt vorgibt, umzusetzen. Geschehe dies nicht bestünde noch die Möglichkeit einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht – wie sie vor Jahren bei der Legehennenverordnung angestrengt wurde. Bruhn zufolge erwäge der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, einen entsprechenen Antrag zu stellen.
Bauernverband weist Kritik zurück
Mit großem Unverständnis reagiert der Deutsche Bauernverband (DBV) auf das von Greenpeace vorgelegte Rechtsgutachten. „Die deutsche Schweinehaltung ist das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen Verbraucherschutz, Tierwohl, Tiergesundheit, Arbeitsschutz, Emissionsschutz sowie der Ökonomie“, hieß es in einer Stellungnahme. Zudem würden die Tierhaltungsverfahren ständig nach aktuellen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis weiterentwickelt.
Doch das erfordere Investitionen in neue, tiergerechtere Ställe, die nur leistbar sind, wenn Vertrauen in rechtliche Rahmenbedingungen bestehe. Die von Greenpeace vorgeschlagene Normenkontrollklage würde die laufenden und kommenden Anstrengungen für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung konterkarieren, weil zusätzliche Rechtsunsicherheit entstehe, mahnte der DBV. Ein solches Vorgehen lege den Schluss nahe, dass es Greenpeace weniger um die Verbesserung als vielmehr um die Abschaffung der Tierhaltung und Verlagerung ins Ausland gehe.
Landwirtschaftsminister Schmidt maß dem Greenpeace-Gutachten in einem ersten Kommentar zwar „Relevanz“zu, verwies jedoch auf die hohen Tierwohlstandards in Deutschland. In einigen Wochen, so Schmidt, soll zudem eine neue Nutztierstrategie vorgestellt werden, in der unter anderem das Thema Tierwohl adressiert werde.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mahnte ebenfalls eine „artgerechtere Haltung“von Mastschweinen an. Nötig sei dafür auch ein ausreichend finanziertes Umbauprogramm für Ställe, erklärte der AbL-Landesverband Niedersachsen und Bremen. Wenn durch ein größeres Platzangebot für die Schweine weniger Fleisch produziert werde, reduziere sich auch der Überschuss an Fleisch, der die Preise drücke. Schweinehalter erhielten „endlich eine klare Zukunftsperspektive mit 'Klasse statt Masse' zu fairen Erzeugerpreisen“. Weitere Informationen zur Schweinezucht in BadenWürttemberg lesen Sie unter www.schwaebische.de/ schweinemast