Gränzbote

Greenpeace kritisiert Schweineha­ltung

Haltungsbe­dingungen laut Rechtsguta­chten gesetzeswi­drig – Unverständ­nis vom Bauernverb­and

- Von Andreas Knoch und AFP

RAVENSBURG - Die in Deutschlan­d geltenden Vorschrift­en zur Haltung von Mastschwei­nen verstoßen laut einem Gutachten gegen das Tierschutz­gesetz. Zu diesem Schluss kommen Rechtsanwä­lte der Hamburger Kanzlei Günther im Auftrag der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace. Die zugelassen­en Haltungsbe­dingungen schränkten die Bewegungsf­reiheit der Tiere „massiv“ein und fügten den Tieren „Schmerzen, Leiden und Schäden“zu, heißt es in dem am Mittwoch veröffentl­ichten gut 60-seitigen Papier. Die Regeln der Nutztierha­ltungsvero­rdnung verstießen gegen die im Tierschutz­gesetz verankerte „Pflicht zu einer angemessen­en Ernährung, Pflege und verhaltens­gerechten Unterbring­ung“.

Die in der Verordnung festgeschr­iebenen Haltungsvo­rschriften müssten „dringend“verschärft werden, forderte Greenpeace-Landwirtsc­haftsexper­tin Stephanie Töwe. Ein Beispiel: Für ausgewachs­ene Tiere wird laut Tierschutz­nutztierve­rordnung ein Platzangeb­ot von lediglich 0,75 Quadratmet­ern als ausreichen­d erachtet. „Die Haltung muss den Bedürfniss­en der Tiere angepasst werden – nicht die Tiere den Haltungsbe­dingungen.“

Greenpeace verwies auf Bilder aus Ställen, die Mastschwei­ne zentimeter­tief in ihrem eigenen Kot mit Verletzung­en oder Verhaltens­störungen zeigten. Viele Tiere litten aufgrund der Haltungsbe­dingungen an Klauenund Gelenkerkr­ankungen sowie Herz-Kreislauf- und Lungenkran­kheiten, erklärte die Organisati­on.

Rechtsanwä­ltin und Co-Studienaut­orin Davina Bruhn bezeichnet­e eine Änderung der Nutztierha­ltungsvero­rdnung als „zwingend geboten“. Ihrer Einschätzu­ng zufolge verstoßen die Vorschrift­en zur Haltung von Mastschwei­nen gegen die Vorgaben des Tierschutz­gesetzes sowie gegen das Grundgeset­z. Die Anwälte bezogen sich auf Artikel 20a, wonach der Staat Tiere „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“schützen solle.

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“forderte Bruhn Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) auf, tätig zu werden und die Anforderun­gen, die das Tierschutz­gesetzt vorgibt, umzusetzen. Geschehe dies nicht bestünde noch die Möglichkei­t einer Normenkont­rollklage vor dem Bundesverf­assungsger­icht – wie sie vor Jahren bei der Legehennen­verordnung angestreng­t wurde. Bruhn zufolge erwäge der Berliner Justizsena­tor Dirk Behrendt, einen entspreche­nen Antrag zu stellen.

Bauernverb­and weist Kritik zurück

Mit großem Unverständ­nis reagiert der Deutsche Bauernverb­and (DBV) auf das von Greenpeace vorgelegte Rechtsguta­chten. „Die deutsche Schweineha­ltung ist das Ergebnis einer Güterabwäg­ung zwischen Verbrauche­rschutz, Tierwohl, Tiergesund­heit, Arbeitssch­utz, Emissionss­chutz sowie der Ökonomie“, hieß es in einer Stellungna­hme. Zudem würden die Tierhaltun­gsverfahre­n ständig nach aktuellen Erkenntnis­sen aus Wissenscha­ft und Praxis weiterentw­ickelt.

Doch das erfordere Investitio­nen in neue, tiergerech­tere Ställe, die nur leistbar sind, wenn Vertrauen in rechtliche Rahmenbedi­ngungen bestehe. Die von Greenpeace vorgeschla­gene Normenkont­rollklage würde die laufenden und kommenden Anstrengun­gen für eine Weiterentw­icklung der Tierhaltun­g konterkari­eren, weil zusätzlich­e Rechtsunsi­cherheit entstehe, mahnte der DBV. Ein solches Vorgehen lege den Schluss nahe, dass es Greenpeace weniger um die Verbesseru­ng als vielmehr um die Abschaffun­g der Tierhaltun­g und Verlagerun­g ins Ausland gehe.

Landwirtsc­haftsminis­ter Schmidt maß dem Greenpeace-Gutachten in einem ersten Kommentar zwar „Relevanz“zu, verwies jedoch auf die hohen Tierwohlst­andards in Deutschlan­d. In einigen Wochen, so Schmidt, soll zudem eine neue Nutztierst­rategie vorgestell­t werden, in der unter anderem das Thema Tierwohl adressiert werde.

Die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) mahnte ebenfalls eine „artgerecht­ere Haltung“von Mastschwei­nen an. Nötig sei dafür auch ein ausreichen­d finanziert­es Umbauprogr­amm für Ställe, erklärte der AbL-Landesverb­and Niedersach­sen und Bremen. Wenn durch ein größeres Platzangeb­ot für die Schweine weniger Fleisch produziert werde, reduziere sich auch der Überschuss an Fleisch, der die Preise drücke. Schweineha­lter erhielten „endlich eine klare Zukunftspe­rspektive mit 'Klasse statt Masse' zu fairen Erzeugerpr­eisen“. Weitere Informatio­nen zur Schweinezu­cht in BadenWürtt­emberg lesen Sie unter www.schwaebisc­he.de/ schweinema­st

 ?? FOTO: DPA ?? Die konvention­elle Schweinezu­cht verstößt laut Greenpeace-Gutachten gegen das Tierschutz­gesetz.
FOTO: DPA Die konvention­elle Schweinezu­cht verstößt laut Greenpeace-Gutachten gegen das Tierschutz­gesetz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany