Kunst ist ihre Leidenschaft
Doris Hölder hört nach 37 Jahren auf – Wie private Galerien einst junge Kunst nach Oberschwaben brachten
RAVENSBURG - Private Kunstgalerien kommen und gehen schnell wieder. Da hat unser Goethe durchaus Unrecht, wenn er sagt: Die Kunst ist lang, das Leben kurz. Denn im Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“halten einige private KunstGalerien schon lange Jahre eisern durch, haben also offensichtlich Erfolg. Nicht nur Ewald Karl Schrade in Mochental nahe Ehingen, der seit 46 Jahren als Galerist arbeitet und der am wichtigsten von allen ist. Doris Hölder gibt ihre Obertor-Galerie in Ravensburg nach 37 Galerie-Jahren jetzt in jüngere Hände und kann wie Bernd Lutze in Friedrichshafen und Werner Wohlhüter in Thalheim-Leibertingen eine durchaus positive Bilanz ziehen.
„Doris Hölder ist eine Institution in der Stadt und in der Region“, fand der Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp jetzt beim Abschiedsfest, als er erstmals die Galerie besuchte. Doris Hölder zeigte zum Abschied Arbeiten von 37 Künstler/-innen, die sie ausgestellt hat. Da gab es den unvergessenen Auftritt des soeben verstorbenen „Strichmännle-Malers“A.R. Penck, der mit seiner Band einen grandiosen Auftritt hinlegte. Da gab sich gleich mehrfach die Alt-Wilde Elvira Bach mit ihren schreienden Frauenporträts die Ehre. Da wurden bei Hölder nahezu alle lokal und regional bedeutsamen Künstler/-innen von Jörg Eberhard, Isa Dahl, Barbara Ehrmann, Martin Fausel, Sepp Mahler, Hermann Schenkel bis Hermann Waibel und Raimund Wäschle präsentiert; der eine oder andere ist auch längst überregional wichtig.
Ja, Doris Hölder hat in Ravensburg Kunstgeschichte geschrieben. Ihre Galerie war die wichtigste und erste in der Kreisstadt. Und sie konnte einen Lokalredakteur Lügen strafen, der ihr einst androhte, die Zeitung werde über ihre Galerie erst dann berichten, wenn sie diese einmal zehn (!) Jahre geführt habe.
Avantgarde auf dem Dorf
Eine wahre Erfolgsgeschichte hat auch Werner Wohlhüter mit seiner im Jahre 1994 gegründeten Galerie geschrieben. Das war eine mutige Tat. Denn das idyllisch abseits der Bundesstraße Meßkirch – Tuttlingen gelegene Dörfchen Thalheim-Leibertingen gibt gewiss nicht den idealen Standort für eine Kunstgalerie her. Dennoch lockt Wohlhüter dank attraktiver Ausstellungen sechs- bis siebenmal im Jahr Kunstfreunde aus der ganzen Region und darüber hinaus in seine Galerie, die er 1999 um eine schöne Halle erweiterte und um Skulpturenfelder, inzwischen gut zwei Hektar groß.
Wohlhüters Galerie hat sich fest etabliert. Seine Schwerpunkte seien bildhauerische Arbeiten und materialbezogene. Die Liste „seiner“Künstler ist lang. Wohlhüter präsentiert Werke der Bildhauer Jörg Bach, Armin Göhringer, Nikolaus Kernbach, Roland Martin, Jürgen Knubben, Reinhard Scherer, Rudolf Wachter, Rolf Wicker – um nur einige zu nennen – und Arbeiten von Malern wie Kurt Frank, Romuald Hengstler, Thomas Deyle, Emil Kiess, Gerhard Opitz. Soeben zeigt Werner Wohlhüter neue Arbeiten des Brüning- und Beuys-Schülers Felix Droese (bis 28. Mai). Auch auf der ART in Karlsruhe ist der Galerist mit seinen Künstlern immer wieder sehr erfolgreich vertreten. Voriges Jahr gewann er mit einer One-Man-Show des FarbfeldMalers Werner Schmid sogar den ersten Preis für die am besten gestaltete Ausstellung. Die wirtschaftliche Lage auf dem Kunstmarkt sei sehr schwierig, Messegebühren seien beispielsweise sehr hoch, sagt Wohlhüter. Aber man müsse raus, müsse auf Messen. „Wir müssen streng kalkulieren.“Das hat der Galerist Wohlhüter von der Pike auf gelernt. Er absolvierte einst eine kaufmännische Ausbildung.
Die Galerie Bernd Lutze in Friedrichshafen ist eine der ältesten in der Region. 1978 hat Bernd Lutze (77) als Ausstellungsmacher angefangen. Zurzeit zeigt er in seiner Galerie in der Zeppelinstraße 7 Arbeiten des im Elsass lebenden Malers Wolfgang Glöckner (bis Ende Mai). Drei bis vier Ausstellungen pro Jahr präsentiert er seinem Publikum. Lutze, von Haus aus Betriebswirt, war zehn Jahre Assistent von Horst Antes in Karlsruhe, der mit seinen „Kopffüsslern“einer der ersten Vertreter der Neuen Figuration gewesen ist. Antes, aber auch Romane Holderried Kaesdorf zählen zu „seinen“Künstlern. Viele große Namen sind dabei. Der Galerist nennt unter anderen Thom Bart, Joseph Beuys, Felix Droese, Jochen Gerz, Gustav Kluge und Gerhard Richter. Lutze schätzt, dass er etwa 150 Ausstellungen organisiert hat.
Wirtschaftlich laufe es zurzeit nicht so optimal. Doch er könne zum Glück Arbeiten von Künstlern mit großem Namen wie eben Richter anbieten und profitiere auch von der Kontinuität seines Ausstellungs-Programms, in dem oft Arbeiten aus dem eigenen Bestand zu sehen sind. Sogar das Museum of Modern Art in New York stellte zu Richters 70. Geburtstag (2002) zwei Bilder aus Lutzes Besitz aus. Zum 40-jährigen Bestehen seiner Galerie im Jahre 2018 plant Lutze wieder eine Richter-Werkschau.
Ewald Karl Schrade spielt als Galerist in der Champions League. Keiner in der Region zwischen Ulm und Bodensee und weit darüber hinaus hat in der Bildenden Kunst so viel bewegt wie er. Seit 46 Jahren führt er Privatgalerien, früher in Kißlegg und Lindau, seit 1985 ist das edle Barockschloss Mochental bei Ehingen/Donau, einst Residenz der Äbte des Klosters Zwiefalten, Hauptsitz der Galerie. Doch Ewald Karl Schrade betreibt auch eine Galerie in Karlsruhe und schon im 14.Jahr organisiert er die ART Karlsruhe, die er gegründet hat und die sich als überregionale Kunstmesse zunehmender Beliebtheit erfreut.
Am Anfang seiner Karriere stand ein tragischer Unfall. Schrade, gelernter Modellschreiner, verlor dabei die rechte Hand. Er musste umlernen, machte eine kaufmännische Ausbildung, arbeitete als Versicherungsmakler. In Reutlingen organisierte Schrade schon 1971 seine erste Kunstausstellung, 1973 zog er nach Kißlegg um, 1985 nach Mochental. Die aufwändige Renovierung des herrlichen Barockschlosses finanzierte die Galerie Schrade privat. Mit einer Ausstellungsfläche von 2500 Quadratmetern übertrifft Mochental viele städtische und auch andere öffentliche Galerien im Ländle. Auch ein Besenmuseum, das erste in Deutschland, gehört dazu.
„Wir müssen streng kalkulieren.“Werner Wohlhüter
Kunst sei seine Leidenschaft, Qualität sein Programm, sagt der Galerist. Es ist unmöglich, seine Aktivitäten auch nur annähernd zu beschreiben. Schrade zeigte Ausstellungen von Klassikern der Moderne wie Heckel, Meistermann, Fritz Winter und Max Ackermann, ja selbst Radierungen von Günter Grass waren bei ihm schon zu sehen. Viele Künstler standen erst am Anfang ihrer Karriere, als Schrade sie entdeckte, Walter Stöhrer beispielsweise, auch Robert Schad, Willi Siber und Christopher Lehmpfuhl (zurzeit in Ochsenhausen). Auch der große Bildhauer Erich Hauser zählte zum Schrade-Kreis. Die jüngste Ausstellung in Mochental ist Ottmar Hörl gewidmet. Und am Pfingstsamstag wird eine Werkschau mit Arbeiten des großen Dänen Per Kirkeby eröffnet. Wahrscheinlich allererste Sahne.
Kunst geht nach Brot, wusste schon der Dr. Luther. Privat-Galerien wollen beim Verkauf eines Bildes oder einer Papierarbeit etwa die Hälfte des Erlöses für sich, bei Plastiken sind es etwa 40 Prozent. Viel Geld. Doch die Galerien müssen auch hohe Kosten tragen. Kosten für ihre Räume, für Werbung, Vernissagen, Einladungen, oft auch für Kataloge. Und verkauft wird selten viel. Galerien verstehen sich daher auch als Mäzene ihrer Künstler und kaufen selber Werke an. „Wirklich reich wird kaum einer von uns“, sagt ein Galerist.