Gränzbote

Unterbrech­ung der Erderwärmu­ng erklärt

Forscher nennen Gründe für scheinbare Pause – Kein Versagen der Klimamodel­le

- Von Stefan Parsch

ZÜRICH (dpa) - Die scheinbare Unterbrech­ung des Klimawande­ls in den Jahren 1998 bis 2012 ist nicht auf falsche Klimamodel­le oder ein mangelhaft­es Verständni­s des Klimas zurückzufü­hren. Dass die globale Erwärmung in dem Zeitraum nicht wie von Klimamodel­len vorhergesa­gt gestiegen ist, sei vielmehr eine Folge davon, dass in den Modellen unterschie­dliche Daten herangezog­en oder unterschie­dliche Zeiträume betrachtet wurden. Dies berichten Forscher um Iselin Medhaug von der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (Schweiz) im Fachmagazi­n „Nature“.

In den 15 Jahren bis 2012 stiegen die Temperatur­en an der Erdoberflä­che je nach Messreihe gar nicht oder kaum an. Manche Politiker, aber auch Wissenscha­ftler deuteten dies als ein Versagen der Klimamodel­le – das Ausmaß des Klimawande­ls sei überschätz­t worden. Einige leugneten sogar, dass es einen Klimawande­l überhaupt gebe oder zumindest, dass er vom Menschen verursacht worden sei. Dem steht allerdings der Trend der vergangene­n drei Jahre entgegen: 2016 war das dritte Jahr in Folge, das den globalen Temperatur­rekord seit Beginn der Aufzeichnu­ngen 1880 gebrochen hat.

Trotzdem wollten die Schweizer Forscher wissen, wie es zu der scheinbare­n Pause im Klimawande­l kam. Dazu sahen sie sich an, wie in Studien diese Unterbrech­ung definiert wurde. Eine Definition besagt zum Beispiel, dass die durchschni­ttliche weltweite Lufttemper­atur an der Oberfläche gesunken, nicht oder nur sehr leicht gestiegen ist. Dies treffe zwar auf kürzere Zeitabschn­itte zu, aber nicht auf längere, schreiben die Forscher.

In einem „Nature“-Kommentar beziffern James Risbey von der nationalen australisc­hen Wissenscha­ftsorganis­ation CSIRO in Hobart (Tasmanien, Australien) und Stephan Lewandowsk­y von der University of Western Australia in Crawley den entscheide­nden Zeitabschn­itt auf 16 Jahre: In allen längeren betrachtet­en Perioden sei keine Unterbrech­ung erkennbar.

Auch die Aussage, dass die Vorhersage­n der Klimamodel­le und die gemessenen Temperatur­en weit auseinande­rliegen, können Medhaug und Kollegen entkräften. So würden bei der Aufbereitu­ng der Messdaten die Lufttemper­aturen und die Oberfläche­ntemperatu­ren der Ozeane zusammenge­nommen, während die Modelle in der Regel nur die Lufttemper­aturen berücksich­tigten. Auch würden Klimafakto­ren wie Feinstaub aus Vulkanausb­rüchen oder die Sonnenakti­vität meist nicht einkalkuli­ert. Ein weiteres Problem war bei älteren Modellen eine relativ geringe Abdeckung mancher Weltregion­en durch Messreihen.

„Wenn die Effekte kurzzeitig­er Temperatur­schwankung­en, wie der El Niño Southern Oscillatio­n, vulkanisch­er Aerosole und Sonnenvari­abilität herausgeno­mmen werden, ist das von Menschen erzeugte Signal globaler Erwärmung nicht wesentlich zurückgega­ngen“, lautet das Fazit der Forscher. 1997/1998 war das Klimaphäno­men „El Niño“an der südamerika­nischen Pazifikküs­te besonders ausgeprägt gewesen und hatte zu den weltweiten Temperatur­rekorden 1998 beigetrage­n. Dass dem keine weiteren Rekorde folgten, sei vor allem mit den natürliche­n Klimaschwa­nkungen erklärbar.

Aus dem Kreis der Zweifler

Auch Risbey und Lewandowsk­y folgern in ihrem Kommentar: „Einige Daten, Tools und Methoden, die bei der Betrachtun­g eines längerfris­tigen Klimawande­ls gut genug waren, erwiesen sich als problemati­sch, als sie auf das Problem der kurzfristi­gen Trends angewendet wurden.“Wie real der Klimawande­l ist, zeigen Veröffentl­ichungen der Weltwetter­organisati­on (WMO) in Genf im März über Temperatur­rekorde in der Arktis: Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlich­en Gefrierper­iode habe es Tage mit Temperatur­en fast am Schmelzpun­kt gegeben. Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf weist darauf hin, dass die Debatte um die Schwankung­en nicht aus der Wissenscha­ft, sondern aus dem Kreis der „Klimaskept­iker“kam, denen es darum gehe, öffentlich Zweifel an der Klimaerwär­mung zu wecken.

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FOTO: DPA Selbst im Winter gab es in der Arktis Tage, an denen die Temperatur­en fast am Schmelzpun­kt waren.

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