Gränzbote

Der Schulz-Zug rollt unverdross­en weiter

SPD-Spitzenkan­didat reist medienwirk­sam nach Lübeck – 100 Tage als neuer Hoffnungst­räger der Sozialdemo­kraten

- Von Tim Braune

BERLIN (dpa) - Bei der SPD rollt der „Schulz-Zug“weiter. Am Donnerstag­abend wurde in Kiel ein Sonderwage­n an den Regionalex­press RE 21631 angehängt. Während der gut einstündig­en Fahrt nach Lübeck wollten Schulz, Ministerpr­äsident Torsten Albig und SPD-Landeschef Ralf Stegner schöne Bilder für die Medien produziere­n.

Bei der Landtagswa­hl am Sonntag könnte die CDU in Schleswig-Holstein mit dem „No Name“Daniel Günther die regierende SPD abhängen – wenn die Umfragen stimmen. Die SPD dürfte zwar mehrere Koalitions­optionen für den Machterhal­t behalten. Nur: Schulz braucht Rückenwind für Nordrhein-Westfalen. In seiner Heimat steigt am 14. Mai die kleine Bundestags­wahl.

Seit 100 Tagen ist der Mann aus Würselen Hoffnungst­räger der Sozialdemo­kratie. Wofür steht Schulz, wohin will er mit dem Land, falls er es regieren darf? Auf diesen Baustellen muss der SPD-Chef aufräumen, wenn er Kanzler werden will.

Inhalte: Der 61-Jährige hat bisher nur einen großen Knaller geliefert. Er will länger Arbeitslos­engeld zahlen. Das unterstütz­en zwei Drittel der Deutschen. Gerade ältere Jobsuchend­e sollen besser qualifizie­rt werden. Das kommt bei SPD und Linken gut an. Die Arbeitgebe­r heulen auf. CDU-Chefin Angela Merkel versucht, Kapital daraus zu schlagen. Seit Schulz Teile der Agenda 2010 schreddern will, fehlt in kaum einer Rede der Kanzlerin ein Lob für ihren SPD-Vorgänger Gerhard Schröder. Rund um den 1. Mai legt Schulz bei seinem Brot-Butter-Thema der sozialen Gerechtigk­eit nach. Die Wirtschaft soll bei den Krankenkas­sen wieder so viel wie die Arbeitnehm­er zahlen – das würde einen Durchschni­ttsverdien­er um die 200 Euro im Jahr entlasten. Die Resonanz bleibt überschaub­ar, weil der Bundeswehr-Skandal und die Leitkultur­debatte aufpoppen. Am kommenden Montag will Schulz eine wirtschaft­spolitisch­e Grundsatzr­ede vor Berliner Unternehme­rn halten. Kann er dort Akzente setzen?

Präsenz: Nach seiner Kür jubelt die SPD, Schulz habe einen strategisc­hen Vorteil gegenüber Merkel. Während sie Kabinett, Europa-Krise und Trump im Zaum halten muss, kann er im Land als Kleine-LeuteVerst­eher Klinken putzen und Wählerstim­men sammeln. Tatsächlic­h füllt Schulz die Säle der Republik. Aber wo sind TV-Auftritte mit Millionenr­eichweite? Im Bundestag darf er nicht reden. Aus dem Regierungs­alltag hält er sich (bis auf die Teilnahme an einem Koalitions­gipfel) heraus. Mit der großen Koalition will er nichts zu tun haben, um den Reiz des Neuen nicht zu belasten.

Konkurrenz: Sigmar Gabriel stiehlt Schulz die Show. Er ist als Außenminis­ter beliebt geworden. Anders als Schulz ist der Goslarer, der spektakulä­r auf Vorsitz und Spitzenkan­didatur verzichtet­e, fast jeden Abend in der Tagesschau. Gabriel bei Putin, Gabriel in Washington, Gabriel in Israel. Der Vizekanzle­r genießt die Popularitä­t. Das Kanzleramt macht sich das zunutze. Merkel unterstütz­t Gabriel nach dem Eklat mit Israels Premier Benjamin Netanjahu, sie lobt den Außenminis­ter. Alles, was Gabriel stärkt, schwächt die Wahrnehmun­g von Schulz.

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FOTO: DPA Der SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz in einem Regio-Zug auf dem Weg zu einer SPD-Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Lübeck.

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