Putin-Gegner
Zunächst hielt er es für einen schlechten Witz, schreibt Alexej Nawalny in seinem Blog. Am Donnerstag hat ihn die Passbehörde aufgefordert, sein neues Auslandsreisedokument abzuholen. Seit fünf Jahren war ihm dies verweigert worden. Tatsächlich hatte alles seine Richtigkeit.
Anlass dafür muss der Angriff auf den Antikorruptionskämpfer in der vergangenen Woche gewesen sein. Jemand lauerte Nawalny auf und schüttete ihm eine grüne Flüssigkeit, ein Antiseptikum, ins Gesicht. Klar ist inzwischen, dass der Tinktur noch ein ätzendes Mittel beigemischt worden war. Nach dem Anschlag fürchtet Russlands bekanntester Oppositioneller nun um sein Augenlicht. Das rechte Auge hat nur noch 15 Prozent Sehkraft.
Wenn die Ärzte nicht in der Lage seien, das Auge zu retten, wird „Russland einen Präsidenten mit einem stilvollen weißen Auge haben“, scherzte er in Anspielung auf die Hornhautverätzungen und die geplante Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2018. Ärzte rieten dem Putin-Herausforderer, sich im Ausland wegen neuerer Technik behandeln zu lassen. Die Passbehörde zeigte ein Einsehen. Die Überraschung hielt jedoch nicht lange vor. Noch am selben Tag meldete sich die Leitung der Strafverfolgungsbehörde beim Anwalt des Geschundenen und warnte: Sein Klient solle nicht auf die Idee kommen, als rechtskräftig Verurteilter Russland zu verlassen. Wegen vermeintlichen Betrugs im Holzhandel war der Blogger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg jedoch als politisch motiviert beanstandet hatte.
Hinter dem Angriff wollen Journalisten und Aktivisten anhand von Videoaufnahmen die kremlnahe nationalistische Gruppe Serb ausgemacht haben, die „traditionelle russische Familienwerte gegen den vom Westen und den USA aufgezwungenen moralischen Verfall“unterstützt. Klaus-Helge Donath