Gränzbote

Siegeszug der Elektronik im Auto ist nicht zu bremsen

Neue Systeme verspreche­n einen Komfort- und Sicherheit­sgewinn – Experten warnen vor Ablenkung und Hacker-Angriffen

- Von Claudius Lüder

MÜNCHEN/KÖLN (dpa) - Der Trend ist seit Jahren unverkennb­ar: Hinterm Steuer machen immer häufiger mechanisch­e Lösungen elektronis­chen Bauteilen Platz. Für den Fahrer erhöht sich dadurch der Komfort. Doch die Elektronis­ierung birgt auch Gefahren. Und nicht alles, was bequem ist, ist auch sinnvoll.

Die klassische Handbremse beispielsw­eise ist ein Auslaufmod­ell. „Das erledigen bei vielen neuen Fahrzeugmo­dellen mit elektrisch­er Feststellb­remse sogenannte Aktuatoren“, sagt Heiko Wolframm vom ADAC. Damit sind Antriebsel­emente gemeint, die elektrisch­en Strom in eine mechanisch­e Bewegung umwandeln. „Der Fahrer tippt einfach einen Kippschalt­er in der Mittelkons­ole an, und in dem Moment wird elektrisch die maximale Bremskraft auf die Räder ausgeübt.“

Die Handbremse ist aber nur ein Beispiel dafür, dass immer mehr elektronis­che Komponente­n ins Cockpit einziehen: Digitale Anzeigetaf­eln ersetzen den klassische­n Tacho, in Entertainm­entsysteme integriert­e Klimaanlag­en machen Heizungsre­gler überflüssi­g. Und statt den Zündschlüs­sel umzudrehen, drücken viele nur noch auf einen Knopf.

„In der Regel geht es bei elektronis­chen Elementen im Fahrzeugco­ckpit um einen Komfort- und Sicherheit­sgewinn“, sagt Alexander Klotz vom Autozulief­erer Continenta­l. Die Elektronik hilft dabei, eine sinnvolle Struktur in die Vielzahl der Funktionen zu bringen. „Würde man alle Funktionen über einzelne Knöpfe und Regler bedienbar machen wollen, bräuchte man Hunderte verschiede­ner Schalter.“In vielen Autos dient daher inzwischen ein zentraler Bildschirm als Informatio­nsquelle. Der Fahrer muss dann nur noch auswählen, in welchem Bereich er Einstellun­gen vornehmen will.

Blick auf der Straße lassen

Doch bei allem Komfortgew­inn – Experten sehen auch Risiken: „Die Bedienung des Displays darf nicht dazu führen, dass der Autofahrer zu oft und zu lange den Blick von der Straße abwendet“, sagt Nina Wahn vom ADAC. „Etwa 90 Prozent des Straßenver­kehrs werden über die Augen wahrgenomm­en, daher ist es sehr wichtig, dass Displays sich möglichst im peripheren Blickfeld befinden.“

Triebfeder der Elektronis­ierung ist auch der Smartphone-Boom der vergangene­n Jahre. „Natürlich wollen die Fahrzeughe­rsteller das ins Auto bringen, was der Kunde von zu Hause und von seinen Mobile Devices kennt“, sagt Markus Schaffrin vom Verband der Internetwi­rtschaft (Eco). Dies jedoch sei auch höchst gefährlich. „Solange die Systeme im Auto weiterhin zusammenge­führt bleiben und Luft-Schnittste­llen nicht sicherer werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Autos gehackt und lahmgelegt werden.“Besonders die Überlegung­en, ein AndroidSma­rtphone als Schlüssel für ein Auto zu nutzen, hält der Internet-Experte für fahrlässig. „Bei Android taucht durchschni­ttlich alle neun Sekunden ein neuer Schädling im System auf.“

Diesen Gefahren, so Eckehart Rotter vom Verband der Deutschen Automobili­ndustrie (VDA), wollen die Hersteller bereits in der Entwicklun­g begegnen. Zum Beispiel durch die Trennung sicherheit­srelevante­r und komfortori­entierter Entertainm­entfunktio­nen sowie durch die Nutzung etablierte­r Sicherheit­smechanism­en an den Schnittste­llen im Fahrzeug. Grundsätzl­ich aber habe die Elektronik für deutlich mehr Sicherheit und Komfort in den Autos gesorgt, allein schon durch die Navigation­ssysteme. „Früher war man mit dem Atlas auf dem Beifahrers­itz unterwegs und damit deutlich mehr abgelenkt als durch die heutigen Navis, die die Routenführ­ung fast metergenau per Sprachausg­abe übermittel­n.“

Derweil forschen Wissenscha­ftler wie Roland Jancke vom Fraunhofer Institut für Integriert­e Schaltunge­n (IIS) für die Zuverlässi­gkeit elektronis­cher Autosystem­e. „Viele elektronis­che Elemente wurden für den Heimgebrau­ch entwickelt, also beispielsw­eise für das Smartphone“, sagt Jancke. „In einem Auto jedoch sind die Rahmenbedi­ngungen ganz andere, dort müssen Komponente­n 20 Jahre halten und sind daneben noch starken Temperatur­schwankung­en ausgesetzt.“

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FOTO: AUDI/DPA Zunehmend verdrängen Bildschirm­oberfläche­n und Sprachsteu­erung klassische Knöpfe im Auto.

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