Siegeszug der Elektronik im Auto ist nicht zu bremsen
Neue Systeme versprechen einen Komfort- und Sicherheitsgewinn – Experten warnen vor Ablenkung und Hacker-Angriffen
MÜNCHEN/KÖLN (dpa) - Der Trend ist seit Jahren unverkennbar: Hinterm Steuer machen immer häufiger mechanische Lösungen elektronischen Bauteilen Platz. Für den Fahrer erhöht sich dadurch der Komfort. Doch die Elektronisierung birgt auch Gefahren. Und nicht alles, was bequem ist, ist auch sinnvoll.
Die klassische Handbremse beispielsweise ist ein Auslaufmodell. „Das erledigen bei vielen neuen Fahrzeugmodellen mit elektrischer Feststellbremse sogenannte Aktuatoren“, sagt Heiko Wolframm vom ADAC. Damit sind Antriebselemente gemeint, die elektrischen Strom in eine mechanische Bewegung umwandeln. „Der Fahrer tippt einfach einen Kippschalter in der Mittelkonsole an, und in dem Moment wird elektrisch die maximale Bremskraft auf die Räder ausgeübt.“
Die Handbremse ist aber nur ein Beispiel dafür, dass immer mehr elektronische Komponenten ins Cockpit einziehen: Digitale Anzeigetafeln ersetzen den klassischen Tacho, in Entertainmentsysteme integrierte Klimaanlagen machen Heizungsregler überflüssig. Und statt den Zündschlüssel umzudrehen, drücken viele nur noch auf einen Knopf.
„In der Regel geht es bei elektronischen Elementen im Fahrzeugcockpit um einen Komfort- und Sicherheitsgewinn“, sagt Alexander Klotz vom Autozulieferer Continental. Die Elektronik hilft dabei, eine sinnvolle Struktur in die Vielzahl der Funktionen zu bringen. „Würde man alle Funktionen über einzelne Knöpfe und Regler bedienbar machen wollen, bräuchte man Hunderte verschiedener Schalter.“In vielen Autos dient daher inzwischen ein zentraler Bildschirm als Informationsquelle. Der Fahrer muss dann nur noch auswählen, in welchem Bereich er Einstellungen vornehmen will.
Blick auf der Straße lassen
Doch bei allem Komfortgewinn – Experten sehen auch Risiken: „Die Bedienung des Displays darf nicht dazu führen, dass der Autofahrer zu oft und zu lange den Blick von der Straße abwendet“, sagt Nina Wahn vom ADAC. „Etwa 90 Prozent des Straßenverkehrs werden über die Augen wahrgenommen, daher ist es sehr wichtig, dass Displays sich möglichst im peripheren Blickfeld befinden.“
Triebfeder der Elektronisierung ist auch der Smartphone-Boom der vergangenen Jahre. „Natürlich wollen die Fahrzeughersteller das ins Auto bringen, was der Kunde von zu Hause und von seinen Mobile Devices kennt“, sagt Markus Schaffrin vom Verband der Internetwirtschaft (Eco). Dies jedoch sei auch höchst gefährlich. „Solange die Systeme im Auto weiterhin zusammengeführt bleiben und Luft-Schnittstellen nicht sicherer werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Autos gehackt und lahmgelegt werden.“Besonders die Überlegungen, ein AndroidSmartphone als Schlüssel für ein Auto zu nutzen, hält der Internet-Experte für fahrlässig. „Bei Android taucht durchschnittlich alle neun Sekunden ein neuer Schädling im System auf.“
Diesen Gefahren, so Eckehart Rotter vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wollen die Hersteller bereits in der Entwicklung begegnen. Zum Beispiel durch die Trennung sicherheitsrelevanter und komfortorientierter Entertainmentfunktionen sowie durch die Nutzung etablierter Sicherheitsmechanismen an den Schnittstellen im Fahrzeug. Grundsätzlich aber habe die Elektronik für deutlich mehr Sicherheit und Komfort in den Autos gesorgt, allein schon durch die Navigationssysteme. „Früher war man mit dem Atlas auf dem Beifahrersitz unterwegs und damit deutlich mehr abgelenkt als durch die heutigen Navis, die die Routenführung fast metergenau per Sprachausgabe übermitteln.“
Derweil forschen Wissenschaftler wie Roland Jancke vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) für die Zuverlässigkeit elektronischer Autosysteme. „Viele elektronische Elemente wurden für den Heimgebrauch entwickelt, also beispielsweise für das Smartphone“, sagt Jancke. „In einem Auto jedoch sind die Rahmenbedingungen ganz andere, dort müssen Komponenten 20 Jahre halten und sind daneben noch starken Temperaturschwankungen ausgesetzt.“