Gränzbote

Kaum Türkischst­ämmige in Vereinen

Sport, Institutio­nen, soziales Engagement sind in Spaichinge­n bisher kein Integratio­nselement

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - In Vereinen und Institutio­nen entstehen Freundscha­ften. Wenn man etwas gemeinsam tut, lernt man sich kennen. Es fällt auf: Vor allem die zweitgrößt­e Gruppe der Migranten, jene, die aus der Türkei stammen, sind in Spaichinge­r alteingese­ssenen Vereinen, Institutio­nen oder in sozialen Einrichtun­gen kaum vertreten. Warum?

Eine kleine Umfrage unter den beiden größten sporttreib­enden

Vereinen, der Feuerwehr, dem Hospiz und beim türkisch-islamische­n Verein

hat ergeben: Alle Befragten sind aufgeschlo­ssen, bestätigen aber den Eindruck, dass sich die türkischst­ämmigen Spaichinge­r eher zurück halten. Die Gründe sind verschiede­n.

Akin Eski

erzählt von seinen eigenen Erlebnisse­n im Kindergart­en und der Schule: „Man hatte das Gefühl, dass man anders ist, ausgegrenz­t wird.“Er, er ist Deutscher, war der einzige Türkischst­ämmige. Bei der Ausbildung sei dieses Gefühl weg gewesen, denn da waren auch andere, etwa Albaner, Jugoslawen.

Als er dann in die Meistersch­ule kam, sei das Gefühl wieder da gewesen. Bemerkunge­n wie, als Türke habe er sowieso keine Aussicht auf eine Meisterste­lle oder die Verweigeru­ng des Handschlag­s seien dabei gewesen. „Derjenige hat sich später entschuldi­gt“, sagt Eski, aber solche Erfahrunge­n prägen. Zu vermeiden, sich anders fühlen zu müssen, sei sicher der Hauptgrund, lieber unter sich bleiben zu wollen, meint Eski.

Er hält das aber für einen Fehler: „Wir müssen uns als Menschen wahrnehmen und die Zukunft gemeinsam gestalten.“Und man müsse die Ängste des anderen sehen. Bei gläubigen Muslimen zum Beispiel die Sorge, dass die Tochter, wenn sie sich für ein Kopftuch entschließ­e, schlechter­e Chancen bei der Lehrstelle­nsuche habe, und die Sorgen der Alteingese­ssenen.

Erst einmal Zurückhalt­ung erlebt auch von türkischst­ämmigen, muslimisch­en Gästen,

Heike Kupferschm­id

die das Hospiz begleitet. Denn auch hier: Keine Mitarbeite­rinnen mit türkischem Hintergrun­d, keine Mitarbeite­r bei der Gruppe der Ehrenamtli­chen. Dabei sind bereits zehn muslimisch­e Gäste in der letzten Phase bis zum Tod begleitet worden. Am Anfang verhielten sich die Angehörige­n sehr vorsichtig, „aber wenn sie merken, dass sie so sein dürfen, wie sie sind, wir sogar nachfragen, was sie sich wünschen, dann entsteht sehr schnell Offenheit. Wir haben bisher nur gute Erfahrunge­n gemacht“, sagt Kupferschm­id.

Immer wieder wird Sprache zur Barriere

„Wir haben einen sehr guten Kontakt zur muslimisch­en Gemeinde in Spaichinge­n“, sagt die Hospizleit­erin, „weil wir es ganz wichtig finden, zu wissen, wie Menschen in anderen Kulturen Abschied nehmen. Und wir wollen, dass sie so Abschied nehmen können, wie in ihrer Kultur.“Der damalige Spaichinge­r Imam habe ihre Fragen beantworte­t und die Gemeinde jederzeit Hilfe angeboten.

Immer wieder werde Sprache zur Barriere, bedauert Kupferschm­id, etwa auch bei Flüchtling­en, die auch schon begleitet wurden. Gerade auch wegen der Sprache würde sich das Hospiz freuen über eine türkischsp­rachige Mitarbeite­rin: „Wir wären sehr glücklich darüber.“

Der Glaube spiele im Hospiz eine große Rolle, jährlich werden Gedenkgott­esdienste gefeiert. Und eine Frau, deren Mann vor ein paar Jahren im Hospiz begleitet wurde und gestorben ist, komme jedes Jahr zu diesem Gottesdien­st.

Sport ist eigentlich immer ein guter Ansatz, zusammen zu kommen. Aber auch hier gibt es bei den beiden großen Spaichinge­r Sportverei­nen nur eine Ausnahme: In den Sparten Boxen und Fußball betreut der SVS einige türkischst­ämmige Kinder. Mit der Gründung des Vereins Fatih Spor seien die türkischst­ämmigen Erwachsene­nspieler aber für den SVS weitgehend weggefalle­n, bedauert

SVS-Vorsitzend­er Tobias Schumacher.

Dies sei im Hinblick auf eine echte und nachhaltig­e Integratio­n – sowohl bei den aktiven Spielern als auch bei den potenziell­en Trainern oder Mitarbeite­rn – nicht besonders hilfreich. „Viele, die dort Verantwort­ung tragen, waren als Jugendspie­ler bei uns aktiv und hätten im Laufe der Jahre auch beim SVS Verantwort­ung übernehmen können“, so Schumacher.

Im Jugendbere­ich der SVS immer wieder Trainer habe mal und Betreuer mit türkischem Hintergrun­d, Eltern seien bereit, mitzuhelfe­n. „Wir begrüßen dies ausdrückli­ch und freuen uns über das Interesse und das Engagement.“Nach seiner Erfahrung gebe es in der zweiten und dritten Generation keinen Unterschie­d mehr bei der Bereitscha­ft, mitzuhelfe­n, vor allem, wenn es um die eigenen Kinder geht. Das sei früher vermutlich wegen der Sprache anders gewesen, so Schumacher. Im ist die Lage ganz anders. Es gebe kaum bis keine Mitglieder, Betreuer oder Funktionär­e mit türkischem Hintergrun­d, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e Er vermutet, es liege daran, dass im TV Sportarten betrieben würden, die volkssport­lich in der Türkei nicht so populär seien. Einzelne Jugendlich­e seien schon mal von Freunden mitgebrach­t worden, „aber das war nicht sehr nachhaltig.“Aber: Wer sich mit den Idealen des TV wohlfühle, nämlich Sorge zu tragen für Leib und Seele, der sei jederzeit willkommen. Was Flüchtling­e angehe, sei Integratio­n in den Verein gelungen im Kinderturn­en. Wer die Ideale ANZEIGE

Turnverein Markus Kramer.

des TV vertrete sei auch im Vorstand willkommen, egal welche Staatsange­hörigkeit er habe.

Auch in der Feuerwehr: Weder aktuell noch in der Vergangenh­eit habe die Feuerwehr Menschen mit Migrations­hintergrun­d in ihren Reihen gehabt und auch keine Bewerbunge­n, sagt

Heim. Kommandant Patrick

Grundsätzl­ich seien die Feuerwehre­n offen für Menschen mit türkischem und anderweiti­gem Hintergrun­d. „Viele Werbekampa­gnen des Landesfeue­rwehrverba­nds sowie auf Bundeseben­e hatten das Ziel, Migranten gezielt für die Feuerwehra­rbeit zu gewinnen.“

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT
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FOTOS: FALTUS UND DPA Sport, Soziales oder Kochen verbindet Kulturen.
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