Kaum Türkischstämmige in Vereinen
Sport, Institutionen, soziales Engagement sind in Spaichingen bisher kein Integrationselement
SPAICHINGEN - In Vereinen und Institutionen entstehen Freundschaften. Wenn man etwas gemeinsam tut, lernt man sich kennen. Es fällt auf: Vor allem die zweitgrößte Gruppe der Migranten, jene, die aus der Türkei stammen, sind in Spaichinger alteingesessenen Vereinen, Institutionen oder in sozialen Einrichtungen kaum vertreten. Warum?
Eine kleine Umfrage unter den beiden größten sporttreibenden
Vereinen, der Feuerwehr, dem Hospiz und beim türkisch-islamischen Verein
hat ergeben: Alle Befragten sind aufgeschlossen, bestätigen aber den Eindruck, dass sich die türkischstämmigen Spaichinger eher zurück halten. Die Gründe sind verschieden.
Akin Eski
erzählt von seinen eigenen Erlebnissen im Kindergarten und der Schule: „Man hatte das Gefühl, dass man anders ist, ausgegrenzt wird.“Er, er ist Deutscher, war der einzige Türkischstämmige. Bei der Ausbildung sei dieses Gefühl weg gewesen, denn da waren auch andere, etwa Albaner, Jugoslawen.
Als er dann in die Meisterschule kam, sei das Gefühl wieder da gewesen. Bemerkungen wie, als Türke habe er sowieso keine Aussicht auf eine Meisterstelle oder die Verweigerung des Handschlags seien dabei gewesen. „Derjenige hat sich später entschuldigt“, sagt Eski, aber solche Erfahrungen prägen. Zu vermeiden, sich anders fühlen zu müssen, sei sicher der Hauptgrund, lieber unter sich bleiben zu wollen, meint Eski.
Er hält das aber für einen Fehler: „Wir müssen uns als Menschen wahrnehmen und die Zukunft gemeinsam gestalten.“Und man müsse die Ängste des anderen sehen. Bei gläubigen Muslimen zum Beispiel die Sorge, dass die Tochter, wenn sie sich für ein Kopftuch entschließe, schlechtere Chancen bei der Lehrstellensuche habe, und die Sorgen der Alteingesessenen.
Erst einmal Zurückhaltung erlebt auch von türkischstämmigen, muslimischen Gästen,
Heike Kupferschmid
die das Hospiz begleitet. Denn auch hier: Keine Mitarbeiterinnen mit türkischem Hintergrund, keine Mitarbeiter bei der Gruppe der Ehrenamtlichen. Dabei sind bereits zehn muslimische Gäste in der letzten Phase bis zum Tod begleitet worden. Am Anfang verhielten sich die Angehörigen sehr vorsichtig, „aber wenn sie merken, dass sie so sein dürfen, wie sie sind, wir sogar nachfragen, was sie sich wünschen, dann entsteht sehr schnell Offenheit. Wir haben bisher nur gute Erfahrungen gemacht“, sagt Kupferschmid.
Immer wieder wird Sprache zur Barriere
„Wir haben einen sehr guten Kontakt zur muslimischen Gemeinde in Spaichingen“, sagt die Hospizleiterin, „weil wir es ganz wichtig finden, zu wissen, wie Menschen in anderen Kulturen Abschied nehmen. Und wir wollen, dass sie so Abschied nehmen können, wie in ihrer Kultur.“Der damalige Spaichinger Imam habe ihre Fragen beantwortet und die Gemeinde jederzeit Hilfe angeboten.
Immer wieder werde Sprache zur Barriere, bedauert Kupferschmid, etwa auch bei Flüchtlingen, die auch schon begleitet wurden. Gerade auch wegen der Sprache würde sich das Hospiz freuen über eine türkischsprachige Mitarbeiterin: „Wir wären sehr glücklich darüber.“
Der Glaube spiele im Hospiz eine große Rolle, jährlich werden Gedenkgottesdienste gefeiert. Und eine Frau, deren Mann vor ein paar Jahren im Hospiz begleitet wurde und gestorben ist, komme jedes Jahr zu diesem Gottesdienst.
Sport ist eigentlich immer ein guter Ansatz, zusammen zu kommen. Aber auch hier gibt es bei den beiden großen Spaichinger Sportvereinen nur eine Ausnahme: In den Sparten Boxen und Fußball betreut der SVS einige türkischstämmige Kinder. Mit der Gründung des Vereins Fatih Spor seien die türkischstämmigen Erwachsenenspieler aber für den SVS weitgehend weggefallen, bedauert
SVS-Vorsitzender Tobias Schumacher.
Dies sei im Hinblick auf eine echte und nachhaltige Integration – sowohl bei den aktiven Spielern als auch bei den potenziellen Trainern oder Mitarbeitern – nicht besonders hilfreich. „Viele, die dort Verantwortung tragen, waren als Jugendspieler bei uns aktiv und hätten im Laufe der Jahre auch beim SVS Verantwortung übernehmen können“, so Schumacher.
Im Jugendbereich der SVS immer wieder Trainer habe mal und Betreuer mit türkischem Hintergrund, Eltern seien bereit, mitzuhelfen. „Wir begrüßen dies ausdrücklich und freuen uns über das Interesse und das Engagement.“Nach seiner Erfahrung gebe es in der zweiten und dritten Generation keinen Unterschied mehr bei der Bereitschaft, mitzuhelfen, vor allem, wenn es um die eigenen Kinder geht. Das sei früher vermutlich wegen der Sprache anders gewesen, so Schumacher. Im ist die Lage ganz anders. Es gebe kaum bis keine Mitglieder, Betreuer oder Funktionäre mit türkischem Hintergrund, sagt der stellvertretende Vorsitzende Er vermutet, es liege daran, dass im TV Sportarten betrieben würden, die volkssportlich in der Türkei nicht so populär seien. Einzelne Jugendliche seien schon mal von Freunden mitgebracht worden, „aber das war nicht sehr nachhaltig.“Aber: Wer sich mit den Idealen des TV wohlfühle, nämlich Sorge zu tragen für Leib und Seele, der sei jederzeit willkommen. Was Flüchtlinge angehe, sei Integration in den Verein gelungen im Kinderturnen. Wer die Ideale ANZEIGE
Turnverein Markus Kramer.
des TV vertrete sei auch im Vorstand willkommen, egal welche Staatsangehörigkeit er habe.
Auch in der Feuerwehr: Weder aktuell noch in der Vergangenheit habe die Feuerwehr Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Reihen gehabt und auch keine Bewerbungen, sagt
Heim. Kommandant Patrick
Grundsätzlich seien die Feuerwehren offen für Menschen mit türkischem und anderweitigem Hintergrund. „Viele Werbekampagnen des Landesfeuerwehrverbands sowie auf Bundesebene hatten das Ziel, Migranten gezielt für die Feuerwehrarbeit zu gewinnen.“