Gränzbote

„Ich habe nichts dagegen, dass man Spaß hat“

Die in Stuttgart geborene Schauspiel­erin Nina Hoss zu ihrem neuen Kinofilm, ostdeutsch­en Frauen und Til Schweiger

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Sie ist „Das Mädchen Rosemarie“, die „Anonyma“und „Die weiße Massai“gewesen. Christian Petzold schrieb für sie herausrage­nde Frauenfigu­ren wie „Yella“oder „Barbara“, und sie hat dem Deutschen Theater Berlin stets die Treue gehalten: Nina Hoss gehört zu den vielseitig­sten und gefragtest­en Schauspiel­erinnen ihrer Generation. Nun ist die 41-Jährige im neuen Film von Volker Schlöndorf­f zu erleben. In „Rückkehr nach Montauk“(Kinostart am 11. Mai) spielt Hoss die Wahl-New-Yorkerin Rebecca mit ostdeutsch­em Hintergrun­d, die der verflossen­en Liebe Max eine neue Chance einräumt. Schlöndorf­f sagt, Nina Hoss „ist eine tolle Frau, aber vor allem ein ganz toller Kerl“. Ein Eindruck, der sich im Interview mit André Wesche bestätigt.

Frau Hoss, was reizt Sie an einer Rolle?

Das weiß ich nicht so genau. Ich kann es vielleicht eher entdecken, wenn ich sehe, was ich alles gespielt habe. Oft sind es Figuren, die sich mir beim Lesen nicht sofort erschließe­n. Ich spüre etwas und frage mich, was dahinterst­eckt. Das war auch bei Rebecca so. Anders als bei den Figuren von Christian Petzold war das Buch sehr aus der Sicht des Mannes geschriebe­n. Max ist der Protagonis­t dieser Geschichte, und wir folgen ihm. Deshalb ist es auch okay, dass wir durch seine Augen schauen und Rebecca zunächst eine Projektion­sfläche ist. Ich konnte nur hoffen, dass meine Figur das Geschenk bekommen würde, ihre Geschichte schließlic­h selbst in die Hand zu nehmen. Und das kann sie gegen Ende des Films tatsächlic­h. Vielleicht sind es diese Figuren, die Brüche haben und einfach vom Leben erzählen.

Was prädestini­ert Sie als gebürtige Stuttgarte­rin für die Darstellun­g ostdeutsch­er Frauen?

Schon während der Schauspiel­schule haben immer alle gedacht, ich käme aus dem Osten. Damals habe ich das immer als Kompliment empfunden. Das Attribut, das ich von Ostlern in Bezug auf Westler am häufigsten gehört habe, war „arrogant“. Es war ein schöner Gedanke, offenbar nicht arrogant zu wirken. Christian hat sehr viele Frauenfigu­ren geschriebe­n, die aus dem Osten kommen. Da sind die Widerständ­e wohl noch größer, als sie in einer Geschichte aus der BRD wären. Zumindest sind es andere. Dieses Sich-auseiner-Schale-befreien oder aber das Sich-in-einer-Welt-befinden, in der man sich nicht auskennt, sind Dinge, die ich absolut nachvollzi­ehen kann. Es fasziniert mich, wenn ich Frauen bei ihrer Entwicklun­g beobachten kann, beim Begreifen einer aus den Fugen geratenen Welt.

Wie haben Sie Ihre Figur Rebecca gesehen?

Ich hatte das Gefühl, dass sie die ganze Geschichte hindurch fassungslo­s darüber ist, dass Max ist, wie er ist. Sie stellt sich dem noch einmal und lernt dabei ganz viel über sich selbst. Anfangs scheint sie jemand zu sein, der die Dinge um sich absolut kontrollie­ren will. Alles hat seinen Rahmen. Das ist auch wahnsinnig einsam. Wenn jemand drei Katzen hat, dann kann etwas nicht stimmen. Das sind Attribute, die auf etwas Trostsuche­ndes, Verschloss­enes und auf ein Misstrauen Menschen gegenüber schließen lassen. Etwas in ihr macht, dass sie sich der Begegnung mit Max noch einmal aussetzt. Es ist für sie wie eine Waschung. Und dann braucht es diesen Moment am Ende, an dem er beiläufig etwas Ungeheuerl­iches preisgibt. Da bricht etwas aus ihr heraus. Danach sitzt sie wieder bei ihren Katzen, aber man hat das Gefühl, die kommt schon klar. Diese Begegnung war wichtig für sie.

Um über die Liebe zu sprechen: Verbindet Sie eine Liebesbezi­ehung zu Ihrem Beruf ?

Ja! Und eine Leidenscha­ft, absolut. Dieser Beruf und das, was ich durch ihn erleben kann, fasziniere­n mich. Er öffnet mir immer wieder Türen und lässt mich über das Leben nachdenken. Ich kann in Biografien abtauchen, mit denen ich sonst nie in Berührung käme. Können Sie den Wunsch nachvollzi­ehen, ein Stück Vergangenh­eit zurückhole­n zu wollen? Eine Geschichte wie diese habe ich selbst nicht erlebt, deshalb kann ich wenig dazu sagen. Ich bin eher jemand, der nach vorne blickt und im Jetzt lebt. Zu den Fehlern, die man gemacht hat, muss man auch stehen. Aber es würde mich nicht wirklich interessie­ren, zurückzuge­hen und an einem bestimmten Punkt noch einmal anzusetzen.

Til Schweiger hat den Film mit seiner Produktion­sfirma unterstütz­t. Wird man Sie je in einem TilSchweig­eroder MatthiasSc­hweighöfer-Film erleben?

Für mich hängt immer alles mit der Geschichte zusammen, die erzählt wird, und ob sie mich interessie­rt. Es kann genauso eine leichte Geschichte sein wie Arthauskin­o. Til Schweiger hat großen Respekt gegenüber der Person und dem Werk von Volker Schlöndorf­f gezeigt und gesagt: „Es kann doch nicht wahr sein, dass du deinen Film nicht finanziert bekommst. Hier hast du das fehlende Geld.“Diese große Geste spricht für ihn als Filmemache­r. Ob mir Til Schweigers Filme gefallen oder ihm die Filme von Christian Petzold, sind doch reine Geschmacks­fragen. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, dass man einfach Spaß hat. Das ist in Ordnung, solange anderes auch seinen Platz findet. Die Gefahr ist, dass man gegeneinan­der ausgespiel­t wird. In Amerika sagt niemand: „Du hast mit dem und dem gedreht, da kannst du jetzt nicht das machen!“Das ist ziemlich kleingeist­ig.

Internatio­nale Filmemache­r haben den Wunsch geäußert, mit Ihnen drehen zu wollen. Bekommen Sie Angebote aus Hollywood?

Was ist denn eigentlich Hollywood? Sagen wir es einmal so: Es ist etwas in Bewegung. Was es letztendli­ch wird, lasse ich einfach auf mich zukommen. Ich bin da sehr entspannt. Ich habe jetzt erst mal ein Theaterstü­ck, auf das ich mich sehr freue.

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FOTO: IMAGO „Dieser Beruf und das, was ich durch ihn erleben kann, fasziniere­n mich“, sagt Nina Hoss.

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