Frankreichs Wähler retten Europa
Emmanuel Macron verhindert Rechtsruck – Experten sehen den Wahlsieger vor großen Herausforderungen
PARIS - Sie wollte Donald Trump nacheifern. Marine Le Pen wollte in den Élysee-Palast einziehen wie der Außenseiter Trump ins Weiße Haus – als „Stimme des Volkes“, mit Angstmache und Hetze gegen Europa. Ein Alptraum für Berlin und Brüssel. Doch kurz vor dem Ziel wurde die Chefin des Front National (FN) gestoppt: von Emmanuel Macron. Mit nach Hochrechnungen gut 65 Prozent kann der smarte Ex-Topbanker die Demagogin klar auf Distanz halten.
Es war kein vor Begeisterung sprühender Präsident, der am Sonntagabend um 21.09 Uhr vor die Franzosen trat. Macron schaute ernst, als er sich an seine Landsleute wandte. „Es ist eine große Ehre und eine große Verantwortung“, begann der jüngste Staatschef, den Frankreich je hatte, seine Ansprache.
„Wir schlagen eine neue Seite in der Geschichte unseres Landes auf“, kündigte der frühere Wirtschaftsminister an, der nach aller Euphorie im Wahlkampf von der ersten Minute an schwer an seiner Last zu tragen schien. „Ein neues Kapitel dieser langen Geschichte beginnt heute Abend und ich möchte, dass es eines der Hoffnung wird und des wiedergefundenen Vertrauens“, sagte der 39-Jährige nach seinem Wahlsieg.
Fahnenmeer vor dem Louvre
Feierlaune herrschte dagegen vor dem Louvre, wo die Gruppe Magic System den rund 20 000 Anhängern von Macrons Bewegung En Marche einheizte. Ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer hatte sich rund um die Pyramide des Museums versammelt, um punkt 20 Uhr bei den ersten Hochrechnungen in Jubel auszubrechen. „Macron Président“– der so oft geschriene Slogan seiner erst vor einem Jahr gegründeten Bewegung En Marche wurde für die Feiernden endlich Wirklichkeit. „Er muss nun Frankreich wieder in Gang setzen“, forderte einer seiner Anhänger, nachdem die ersten Hochrechnungen veröffentlicht worden waren.
Die letzten Umfragen hatten Macron rund 63 Prozent vorhergesagt. Mit rund 21 Millionen Stimmen hat der neue Präsident nun eine breite Basis vor den Parlamentswahlen im Juni. „Die Erwartungen sind hoch“, räumte der Abgeordnete Christophe Castaner im Fernsehen ein, der zu Macrons engstem Kreis gehört. „Alles beginnt heute Abend.“
Einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet, bekam der neue Staatschef kurz nach 20 Uhr. Da trat seine Rivalin Marine Le Pen vor die Kameras, um das Ergebnis zu kommentieren. Mit 34 Prozent hatte die Kandidatin des Front National ihr Ergebnis der ersten Runde deutlich verbessert. Rund elf Millionen Stimmen bekam die FN-Chefin. „Wir sind die erste Oppositionskraft des neuen Präsidenten“, kündigte die 48-Jährige an. Die Aggressivität der neuen Oppositionschefin hatte Macron bereits in der Fernsehdebatte am Mittwoch bekommen, als die Rechtspopulistin den Gründer der Bewegung En Marche stundenlang persönlich angriff. Der Wahlkampf hatte eine Zweiteilung des Landes deutlich gemacht in eine Stadtbevölkerung, die mehrheitlich für Macron stimmte und den Franzosen auf dem Land, die eher hinter der EUGegnerin Le Pen stehen. „Ich werde mit aller Kraft gegen die Spaltung kämpfen, die das Land untergräbt“, kündigte der neue Präsident an.
Sein Auftritt stand im Gegensatz zu den Triumphgesten nach der ersten Runde, die der Ex-Banker mit 24 Prozent gewonnen hatte. Danach hatte Macron sich vom Dach seines Hauptquartiers aus feiern lassen und war in ein Nobel-Bistro gefahren, um dort zu feiern. Sogar Präsident François Hollande hatte das siegessichere Verhalten seines politischen Ziehsohns kritisiert. Am Sonntag applaudierte Hollandes Kabinett, das sich im Elysée-Palast versammelt hatte, bei der Verkündung des Wahlergebnisses. „Sein klarer Sieg bestätigt, dass eine sehr große Mehrheit unserer Mitbürger den Werten der Republik und der Europäischen Union verbunden ist“, hieß es in einer Mitteilung aus dem Palast. Macron enttäuschte die Europäer in seiner ersten Ansprache nicht: „Ich werde Europa verteidigen“, kündigte er an.