Gränzbote

Das geht Schulz „unter die Haut“

Ratlosigke­it nach der Schlappe von Kiel – Schuld wird Torsten Albig zugewiesen

- Von Sabine Lennartz

KIEL - Schockstar­re im WillyBrand­t-Haus. Dass es kein gutes Wahlergebn­is wird für die SPD, zeichnete sich ab. Doch mit so einer Schlappe hatte man in Berlin nicht gerechnet. „Ich bin enttäuscht“, sagt SPD-Chef Martin Schulz unumwunden. „Das ist ein trauriger Abend, das ist etwas, das unter die Haut geht.“Fast trotzig wird der SPD-Chef trotzdem von seinen Anhängern beklatscht. An ihm liegt es nicht, das steht für die meisten fest.

Nach der verlorenen SaarlandWa­hl hatte man sich bei der SPD noch getröstet: In Schleswig-Holstein stellen wir den Amtsinhabe­r, das wird für die SPD gut gehen. Jetzt schaut man mit bangem Blick auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen. Martin Schulz macht den Genossen Mut: In seinem Land sei es üblich, am nächsten Morgen die Ärmel wieder hochzukrem­peln, den Zusammenha­lt im Land zu bewahren. Dafür stehe Hannelore Kraft.

Bange Fragen

Er sei sich sicher, dass die Menschen sich für Kraft entscheide­n, denn sie hätten die Wahl zwischen einer „hoch anerkannte­n Ministerpr­äsidentin“, und Armin Laschet – einem Herausford­erer, der in der Zeit, als Jürgen Rüttgers (CDU) Ministerpr­äsident in NRW war, die Polizei abgebaut habe. Und der früher Integratio­nsminister war und jetzt Wolfgang Bosbach in sein Team geholt habe.

Und doch werden an diesem Abend im Willy-Brandt-Haus alte schmerzlic­he Erinnerung­en wach: Als die damalige Kieler SPD-Ministerpr­äsidentin Heide Simonis 2005 von Peter Harry Carstensen (CDU) abgelöst wurde, folgte kurz darauf auch die Wende in NRW: Rüttgers (CDU) löste Ministerpr­äsident Peer Steinbrück (SPD) ab. Davor zittern jetzt die Sozialdemo­kraten. Denn Umfragen haben gezeigt: Die Menschen sind noch nicht Merkel-müde, sondern 46 Prozent gaben an, die Kanzlerin sei ihr wichtigste­r Grund, CDU zu wählen. Muss Schulz nun seine Strategie ändern?

Zum Mutmachen gehört, dass die SPD auf die 16 000 Neueintrit­te in die Partei hinweist, die doch zeigten, wie sehr man im Aufwind sei. Hinter den Kulissen im Willy-Brandt-Haus wird klargemach­t, dass nicht Martin Schulz, sondern ganz allein Torsten Albig an der Wahlschlap­pe schuld ist.

Albig hatte vor einigen Wochen noch frohlockt, dass „die alte Tante SPD sich wieder ihr flottes Frühlingsk­leid“anziehe und auch wieder etwas forscher auf die Tanzfläche gehe.

Zu forsch war er dann selbst, als er der „Bunten“ein Interview über seine neue Liebe gab, die er bald heiraten will und gleichzeit­ig über seine Noch-Ehefrau sprach, mit der er zwei Kinder hat, aber sich „nicht mehr auf Augenhöhe“austausche­n könne. „Ich war beruflich ständig unterwegs, meine Frau war in der Rolle der Mutter und Managerin unseres Haushalts gefangen.“Solche Äußerungen kommen bei vielen Frauen in gleicher Lage nicht so gut an.

„Auf das Privatlebe­n konzentrie­rt“

SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley beklagt: „Am Ende hat sich die Diskussion weniger auf politische Inhalte konzentrie­rt als auf das Privatlebe­n des Spitzenkan­didaten.“Mit diesem Tadel ist klar, dass die SPD nicht an Albig festhält. Dass sie es aber probieren könnte, trotz ihrer Niederlage noch eine Ampel mit FDP und Grünen zu schmieden. „Ministerpr­äsident wird am Ende die Person, die eine Mehrheit im Landtag auf sich vereinen kann“, sagt SPD-Landeschef Ralf Stegner.

Die Grünen und ihr Frontmann Robert Habeck zeigen sich dafür offen. Die FDP lehnt dies zwar nicht komplett ab, allerdings meint FDPSpitzen­kandidat Wolfgang Kubicki, es sei nun wirklich schwer zu begründen, warum Albig Ministerpr­äsident bleiben sollte.

Während die CDU im AdenauerHa­us ihren Wahlsieger Daniel Günther schon als künftigen Ministerpr­äsidenten feiert, hoffen SPD und Grüne noch auf andere Modelle. Hierfür hätten sie aber die FDP nötig.

Was die Liberalen in Kiel machen wollen, sei ihre Sache, sagt FDP-Chef Christian Lindner. Für NordrheinW­estfalen hat Lindner eine Ampel bereits kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Er hofft, dass das gute Ergebnis an der Küste jetzt Motivation über Schleswig-Holstein hinaus gibt. Das Wahlziel für den nächsten Sonntag hat er schon klar vor Augen: In NRW gelte es, dritte Kraft zu werden.

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FOTO: AFP „Ich bin enttäuscht“, sagte SPD-Chef Martin Schulz, als die Ergebnisse der Wahl in Schleswig-Holstein bekannt wurden. Dennoch gab er sich zuversicht­lich für die kommende Wahl in Nordrhein-Westfalen.

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