Südkorea steht vor politischer Kehrtwende
Es ist eine richtungsweisende Wahl. Wenn die Südkoreaner am Dienstag einen Nachfolger für die vorzeitig entmachtete Präsidentin Park Geun Hye wählen, geht es nicht nur um wachsende Jugendarbeitslosigkeit, zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte und Angst vor Altersarmut. Im Zentrum steht auch Südkoreas Haltung in dem Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm.
Kommentatoren sehen in der Wahl auch eine Abstimmung über die Frage, wie eng die Südkoreaner künftig die Beziehungen zu den USA unter Präsident Donald Trump gestalten wollen. Die USA haben den Verbündeten unter ihren atomarem Schutzschild gestellt. Nach neun Jahren Regierung unter konservativen Präsidenten deutet alles auf eine politische Kehrtwende in Asiens viertgrößter Volkswirtschaft hin.
Der Wahlkampf lief im Eiltempo ab. Erst am 10. März hatte das Verfassungsgericht Park in einem für sie schmachvollen Amtsenthebungsverfahren abgesetzt. Dadurch wurde eine vorgezogene Wahl notwendig. Im Präsidialsystem des Landes trifft das Staatsoberhaupt fast alle wichtigen Entscheidungen. Die Wahl hat daher eine große strategische Bedeutung.
„Es gibt zwei wichtige Themen bei dieser Wahl. Das eine ist die Sicherheit, das andere die Wirtschaft“, sagt der Nordkorea-Fachmann Paik Hak Soon vom Sejong-Institut. Mit Blick auf Nordkorea müsse Raum für einen Dialog geschaffen werden. Das „Dialogfenster“könne sich jedoch schließen, falls Nordkorea einen weiteren Atomtest unternehme, befürchtet Paik.
Die Südkoreaner wollen zudem eine Antwort darauf, wie der künftige Staatschef ihr Land aus den politischen Turbulenzen der vergangenen Monate herausführt. Ein Korruptionsskandal um eine Freundin hat die Tochter des Ex-Militärdiktators Park Chung Hee nicht nur das Amt gekostet, sondern auch die Regierung in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. Park Geun Hyes Partei ist in der Gunst der Wähler deutlich gesunken. Von den Folgen des Skandals profitierte politisch das liberale Lager.
In den Umfragen lag der oppositionelle Mitte-Links-Politiker Moon Jae In vorne. Es ist der zweite Anlauf für den 64 Jahre alten früheren Menschenrechtsanwalt, der unter ExPräsident Roh Moo Hyun Stabschef im Präsidialamt war. Nach der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Realmeter eine Woche vor der Wahl kam Moon von der Demokratischen Partei auf mehr als 40 Prozent Zustimmung. Dahinter lagen der Mitte-Politiker und frühere Software-Entwickler Ahn Cheol Soo von der kleineren Volkspartei sowie Hong Joon Pyo von der konservativen Freiheitspartei Koreas (früher Saenuri) gleichauf mit 18,6 Prozent.
Überschattet wird die Wahl erneut von den Spannungen mit Nordkorea, dessen Führung nach Einschätzung von Seoul einen neuen Atomtest vorbereitet. (dpa)