Gränzbote

Keiner hat den Blues wie er

Joe Bonamassa zeigt in Stuttgart, warum er als einer der weltweit besten Gitarriste­n gilt

- Von Daniel Drescher Live: 8. Mai Baden-Baden, Festspielh­aus; 16. Mai Freiburg, Sick-Arena, Messe Freiburg; 17. Mai Ravensburg, Oberschwab­enhalle; 20. Mai München, Olympiahal­le; Mehr Fotos aus Stuttgart gibt es unter schwaebisc­he.de/bonamassa

STUTTGART - Er gilt derzeit als unangefoch­tener Bluesrock-Superstar: Joe Bonamassa hat am Freitagabe­nd rund 4000 Konzertgän­ger in der Stuttgarte­r Porsche-Arena mit seinem Gitarrensp­iel beeindruck­t.

Das edle Sakko ist dunkel verfärbt, als Joe Bonamassa die Gitarre triumphier­end in die Höhe reckt und von der Bühne geht. Durchgesch­witzt. Bis dahin wirkte er durch seinen typischen Look mit Sonnenbril­le und Anzug die meiste Zeit eher wie Agent Smith aus den „Matrix“-Filmen. Und es gibt durchaus Stimmen, die ihm attestiere­n, ähnlich maschinell zu wirken wie das schick gekleidete Computerpr­ogramm aus den philosophi­sch angehaucht­en Science-Fiction-Filmen.

Auch an diesem Abend in der Landeshaup­tstadt muss man sich manchmal fragen, ob da ein Mensch auf der Bühne steht. Einfach, weil es fast schon zu makellos ist, was Bonamassa aus den Gitarren, die er mehrfach wechselt, rausholt. Bluesige Tonfolgen, harte Rockriffs, unverschäm­te Grooves, halsbreche­rische Soli – der Mann ist das, was man gemeinhin einen Saitenhexe­r nennt. Seit dem Erscheinen seines Debütalbum­s „A New Day Yesterday“vor 17 Jahren hat sich Bonamassa zu einem der besten Bluesmusik­er des Planeten entwickelt, Grammynomi­nierung und (unter anderem) eine Goldene Schallplat­te für 100 000 verkaufte DVDs eines Konzertmit­schnitts in der Royal Albert Hall in London inklusive.

Den Anfang an diesem Abend machen fünf Songs seines aktuellen Albums „Blues of Desperatio­n“, unter anderem der Titeltrack. Mit dem 2016er-Werk erreichte er zum 16. Mal Platz eins der Billboard Charts, öfter als jeder andere Künstler vor ihm, wie seine Agentur stolz vermeldet. Der Titel des Albums führt dabei allerdings etwas auf die falsche Fährte, denn Joe Bonamassa spielt nicht nur Blues und ist genau deshalb jemand, auf den sich Musikfans unterschie­dlichster Coleur einigen können. Das sieht man auch in Stuttgart. Da spielt der tätowierte bärtige Metaller Luftgitarr­e, daneben wippt der ergraute Funktionsj­ackenträge­r mit dem Fuß und noch eine Reihe weiter staunt ein Kind mit großen Augen über die Bühnenshow des Amerikaner­s.

Auch an der um zwei Sängerinne­n und zwei Blechbläse­r verstärkte­n Begleitban­d lässt sich die musikalisc­he Vielfalt, die von Big-Band-Sound über Jazz und Gospel bis hin zu hartem Rock reicht, ablesen – und die musikalisc­he Klasse. Bonamassa stellt jedes Mitglied vor und nennt Künstler, mit denen seine musikalisc­hen Mitstreite­r ebenfalls schon gespielt haben. Keyboarder Reese Wynans etwa stand bereits mit dem 1990 tödlich verunglück­ten Blues-Giganten Stevie Ray Vaughn auf der Bühne.

Wer braucht schon Haare?

Und dann spielt Bonamassa mit der größten Selbstvers­tändlichke­it in „Love Ain’t a Love Song“ein Wahnsinnss­olo. Da stört nicht weiter, dass sich die Kommunikat­ion mit dem Publikum auf ein paar Anekdoten beschränkt: Über seine Deutschken­ntnisse („Danke“und „Bier“) sowie den 40. Geburtstag, den er heute feiert. Er habe sich mit vier nie träumen lassen, dass er Jahrzehnte später einmal so große Shows spielen werde. Allerdings hätte er auch nicht gedacht, dass sein Haupthaar da schon so schütter sei. Dann zieht er wieder so rasant vom Leder, dass sich die Frage stellt: Wer braucht schon Haare, wenn er so begnadet spielen kann? Im Lauf des Abends spielt sich Bonamassa in einen wahren Rausch, und immer dürfen Songs wie „Pretending“auch ausufern, es wird soliert und improvisie­rt. Es macht Spaß, sich mitreißen zu lassen von diesem Rausch.

Einen schalen Nachgeschm­ack hinterlass­en indes die Kartenprei­se. In der teuersten Kategorie zahlt der geneigte Konzertgän­ger 150 Euro. Royal Albert Hall hin oder her, Blues war mal die Musik der einfachen Arbeiter. Doch solche Preise machen Konzerte zu etwas, das sich eher das mittlere Management leisten kann. Bluesrock als Fall für die gut betuchte Klientel – so hatte sich das Blues-Urvater Robert Johnson damals wohl nicht vorgestell­t.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Spielt sich und das Publikum in einen Rauschzust­and: Joe Bonamassa in Stuttgart.

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