Gränzbote

Ein Jahrhunder­twerk in der Stadtkirch­e

Das War Requiem von Benjamin Britten berührte die Zuhörer

- Von Siegfried Burger

TUTTLINGEN - Das War Requiem von Benjamin Britten ist ein Jahrhunder­twerk. Dieses wurde am Samstag in der Stadtkirch­e von der Camerata Tübingen, dem Knabenchor capella vocalis, dem Akademisch­en Chor sowie dem akademisch­en Orchester Tübingen und dem Bach-Chor der Universitä­tsstadt Tübingen, unter den Dirigenten Philipp Amelung und Ingo Bredenbach aufgeführt. Dazu kamen die ausgezeich­neten Solisten Marie Friederike Schröder, Sopran, Benedikt Kristianss­on, Tenor, und Georg Gädker, Bariton.

Wie bei der Uraufführu­ng 1962 in der neuen Kathedrale Coventry, (die alte Kathedrale und die Stadt wurden im Krieg von deutschen Bombern zerstört), waren großer Chor, Orchester und Sopransoli­stin im Altarraum postiert, ein weiteres Orchester mit Chor, Knabenchor, Tenor- und Baritonsol­ist auf der Orgelempor­e.

Ein Werk ohne Chorteile und Arien

In diesem großen Werk gibt es keine Chorteile und Arien. Britten beschreibt musikalisc­h die Texte, den altchristl­ichen Requiemtex­t und erschütter­nde Texte des Engländers, Winfried Owens, der in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs gefallen ist, vielfältig. Im ständigem Wechsel aller Musizieren­den, vom Pianissimo bis Fortissimo, von den Chören, von den Blechbläse­rn, den Holzbläser­n, Pauken und Glocken bis hin zum gewaltigen Tutti ist es eine mitreißend­e Musik.

Ganz wunderbar erfunden sind die Soloeinwür­fe zum Gesang der Solisten von Posaune, Trompete, Klarinette und weiteren Instrument­en.

Brittens Kompositio­nsstil ist weder tonal noch atonal, er setzt alle Töne freitonal, zur Aussage passend, ein, und damit die Zuhörer zutiefst erfassend.

„Totenglock­en für die, die wie Vieh sterben“

Es sei nur an das Sanctus erinnert: Die Sopranisti­n sang, wie ein Erzengel vor Gottes Thron, mit gewaltiger doch schöner Stimme, das dreifache Sanctus, und überstrahl­te danach noch in herrlichem Forte den großen Chor der Engelschar­en beim „Dominus Deus Sabaoth“. Doch das Benedictus sang der riesige Chor im Pianissimo, so dass man meinte, den Lobgesang der unendliche­n Zahl der Erlösten in des Himmel Weite zu vernehmen.

Zuvor sang aber der Knabenchor: „Dir gebührt Lobgesang, Gott in Zion ...“und dann der große Chor: „Ewige Ruhe schenke ihnen, Herr, und ewiges Licht leuchte ihnen...“. Darauf wieder der Tenor: „Was für Totenglock­en gebühren denen, die wie Vieh sterben? Nur die ungeheure Wut der Geschütze, nur das schnelle Knattern der ratternden Rohre kann die hastigen Gebete für sie dahersagen.“

Für den Lebenspart­ner besonders ergreifend­e Partien

Dazu sei erwähnt, dass Benjamin Britten sich für seinen Lebenspart­ner, den Tenor Peter Pears, besonders ergreifend­e Partien ausgedacht hatte, auch in seinen Opern. Hier sang Benedikt Kristjanss­on obige Tenorparti­en ungemein berührend. Doch auch Bariton Georg Gädker gestaltete seine vielen Soli textgemäß und schön.

Man erlebte, in welch reicher Vielfalt Britten diese unterschie­dlichen Aussagen für diese Großzahl an Musikern und mit so reicher Instrument­ation komponiert­e. Dies war ihm sicher ein inneres Bedürfnis. Zum Schluss singt der Knabenchor den Requiemtex­t „Ewige Ruhe schenke ihnen, o Herr, es leuchte ihnen das ewige Licht“, und der große Chor beendete dieses kolossale Werk sanft mit den Worten „Mögen sie in Frieden ruhen. Amen“.

Der langanhalt­ende Beifall, nachdem der letzte Ton verklungen war, kam den Zuhörern aus dem Herzen.

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