Gränzbote

Deutsch-französisc­hes Tandem vor dem Neustart

Kanzlerin Merkel verabschie­det sich von Hollande – und freut sich auf die Zusammenar­beit mit Präsident Macron

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Erleichter­ung und Freude bei der Kanzlerin sind groß: „Emmanuel Macron trägt die Hoffnung von Millionen von Franzosen - auch von vielen Menschen in Deutschlan­d und ganz Europa“, sagt Angela Merkel am Montag. Nach dem Sieg des 39-Jährigen gegen die EU-Gegnerin Marine Le Pen sieht Merkel beste Chancen, dem deutsch-französisc­hen „Couple“wieder Schwung zu geben. „Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenar­beiten werden“, sagt sie zuversicht­lich.

Die Zeichen stehen auf Neustart für das Tandem Berlin-Paris. Doch kaum ist die „Ode an die Freude“verklungen, mit der Macron am Sonntag in Paris seinen Triumph gefeiert hatte, rückt der Streit über die Zukunft der Eurozone in den Mittelpunk­t. Frankreich­s neuer Präsident wird für Deutschlan­d ein schwierige­r Freund sein. Zwar will er wie einst Gerhard Schröder beherzt reformiere­n, um die Grande Nation zu neuer Größe zu führen. Zugleich hat der soziallibe­rale Ex-Wirtschaft­sminister aber einen Forderungs­katalog für Brüssel und Berlin in der Schublade, der CDU und CSU provoziert. „Da wird es harte Kämpfe geben, wir sind gegen eine Schuldenun­ion“, stellt CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer klar.

Zu Macrons Wünschen gehören neben Eurobonds ein EuroBudget, das wie eine Art Länderfina­nzausgleic­h funktionie­ren soll. Er verlangt einen EU-Finanzmini­ster mit politische­m Mandat, der nicht nur als oberster Kassenwart auf die Einhaltung der Sparkriter­ien wachen soll. Mehr Macht für Brüssel, mehr Geld vom deutschen Steuerzahl­er für diejenigen, die ihre Hausaufgab­en nicht gemacht haben: Ein Alptraum für die Kanzlerin, der ihre Partei im Nacken sitzt.

Frankreich braucht Ergebnisse

Und so winkt die CDU-Chefin am Montag ab: Auch sie wolle helfen, dass die Arbeitslos­igkeit in Frankreich sinke. Zunächst aber werde abgewartet, dass Macron liefere: „Was Frankreich braucht, sind Ergebnisse“, mahnt Merkel Reformen an. Deutsche Unterstütz­ung könne französisc­he Politik „nicht ersetzen“. Und den deutschen Exportüber­schuss will sie als Entschuldi­gung für die Schwäche des Nachbarn nicht gelten lassen. Merkel verweist auf die Qualität deutscher Produkte und die steigenden Löhne hierzuland­e.

Also alles wie gehabt? Oder steht Deutschlan­d doch in der Pflicht, Macron entgegenzu­kommen? So sieht es jedenfalls Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD). „Die Wahl Macrons ist auch ein Auftrag an uns Deutsche. Wir werden mehr für Europa tun müssen, statt nur mit dem erhobenen Zeigefinge­r unterwegs zu sein“, sagte der Außenminis­ter der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wer Reformen anpackt, darf nicht zeitgleich zu einem strikten Sparkurs durch Deutschlan­d gezwungen werden“, so Gabriels Aufschlag, der nicht mit der Regierung abgestimmt war. Eurobonds, ein EuroBudget und mehr Kompetenze­n für Brüssel, darauf will sich Gabriel nicht einlassen, wirbt aber für einen neuen Investitio­nsfonds.

Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) ist überrumpel­t, lässt seine Sprecherin darauf pochen, dass Paris die EU-Auflagen einzuhalte­n habe. SPD-Chef Martin Schulz hat sich mit Blick auf Macrons Wünsche noch nicht aus der Deckung gewagt. „Jetzt machen wir Europa gemeinsam besser“, frohlockte er zwar, ohne aber konkret zu werden. In seinem Leben als EU-Parlaments­präsident hatte er durchaus mit Eurobonds geliebäuge­lt. Jetzt will er davon nichts mehr wissen. Schließlic­h ist die gemeinsame Schuldenha­ftung nicht nur für Unions-Wähler ein rotes Tuch.

Dennoch könnte es Macron gelingen, Druck auf Berlin aufzubauen: Gelingt es ihm, mit einer Mehrheit im Parlament erfolgreic­h Reformen auf den Weg zu bringen, wird er zum ernstzuneh­menden Akteur. Sollte Macron liefern, dann wird es für Berlin schwierige­r. Zu Verhandlun­gen etwa über ein Euro-Budget, aus dem Reformanst­rengungen belohnt werden könnten, dürfte es aber erst nach der Bundestags­wahl im September kommen, mit einer neuen Bundesregi­erung. Schnellsch­üsse stehen nicht an, zumal für viele Pläne Macrons die EU-Verträge geändert werden müssten, wovor es Merkel graust.

Aber sie weiß auch, dass sie einen starken Partner im Elysée braucht, um Europa voranzubri­ngen. Der unentschlo­ssene François Hollande, von dem sie sich am Montagaben­d im Kanzleramt verabschie­dete, hatte der Kanzlerin in der Flüchtling­skrise nicht beigestand­en und war mit seinen Reformplän­en gescheiter­t. Dass ein Drittel der Franzosen am Sonntag für Le Pen gestimmt hat, ist auch auf seine Schwäche zurückzufü­hren.

 ?? FOTO: AFP ?? Herzliche Begrüßung im Kanzleramt für François Hollande: Angela Merkel dankte dem scheidende­n Präsidente­n für ein „gutes Kapitel deutsch-französisc­her Freundscha­ft“.
FOTO: AFP Herzliche Begrüßung im Kanzleramt für François Hollande: Angela Merkel dankte dem scheidende­n Präsidente­n für ein „gutes Kapitel deutsch-französisc­her Freundscha­ft“.

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