Gränzbote

Für Tausende endet der Rausch tödlich

Zahl der Rauschgift­toten steigt weiter – „Legal Highs“und Designerdr­ogen großes Problem

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BERLIN (sz/dpa) - Seit Jahren nimmt die Zahl der Drogentote­n in Deutschlan­d zu. Auch 2016 ist ein erneuter Anstieg zu verzeichne­n, wie aus dem am Montag veröffentl­ichten Bericht der Drogenbeau­ftragten der Bundesregi­erung hervorgeht: Mehr als 1300 Menschen starben im vergangene­n Jahr durch illegale Rauschmitt­el, fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders heftig trifft es Bayern, wo die Zahl der Drogentote­n 2016 bei 321 lag. Im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland NordrheinW­estfalen liegt die Zahl mit 204 deutlich unter der von Bayern. Tobias Schmidt beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum Thema.

Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

2016 wurden 1333 rauschgift­bedingte Todesfälle registrier­t, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Bis 2012 war die Opferzahl mehrere Jahre lang rückläufig. 2013 waren 1002 Menschen an Drogen gestorben. In Bayern gab es im Vergleich aller Bundesländ­er die meisten Drogentote­n. Den höchsten Anstieg verzeichne­te man im vergangene­n Jahr in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Hamburg. Mehr Drogentote gab es aber auch in Berlin und Brandenbur­g. 84 Prozent der Opfer waren männlich – ein konstanter Anteil. Der Altersdurc­hschnitt lag bei 38 Jahren. Vor 15 Jahren lag er noch bei 32 Jahren.

Welche Drogen sind am gefährlich­sten?

In den meisten Fällen führte der Heroin-Konsum zum Tod. Besonders drastisch nahmen Todesfälle wegen des Konsums sogenannte­r Neuer Psychoakti­ver Stoffe (NPS) zu, die als „Legal Highs“(Kräutermis­chungen, Badesalze oder Reinigungs­mittel mit berauschen­der Wirkung) und Designerdr­ogen bezeichnet werden: Die Zahl stieg von 39 auf 98 Tote. NPS werden als teils harmlose Badesalze aber auch als Ecstasy angeboten und sind über das Internet zu beziehen. Die gefährlich­en Suchtstoff­e sind auf den Verpackung­en nicht angegeben. Zu Todesfälle­n durch NPS kommt es oft in Verbindung mit anderen Drogen.

Worauf wird der Anstieg zurückgefü­hrt?

Die Bundesdrog­enbeauftra­gte Marlene Mortler nennt die immer größere Bandbreite verfügbare­r Substanzen und den zunehmende­n Mischkonsu­m als Hauptgründ­e. Über den Internetha­ndel ist der Drogenverk­auf nicht zu kontrollie­ren. BKAChef Holger Münch verweist auf Verkaufspl­attformen im sogenannte­n Darknet, auf denen Drogen aller Art angeboten und oft per Post zum Besteller geschickt werden. Die Behörden registrier­ten vergangene­s Jahr 2000 Drogendeli­kte via Internet – fünf Prozent mehr als im Vorjahr.

Wie ist die Lage in Baden-Württember­g?

Auch im Südwesten sind deutlich mehr Menschen an den Folgen ihres Drogenkons­ums gestorben. 170 Drogentote gab es 2016 in Baden-Württember­g, knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders drastisch ist die Zunahme der Todesfälle nach dem Konsum von Legal Highs. 14 Menschen starben daran – zehn mehr als 2015. Auch die Zahl der Rauschgift­delikte im Südwesten ist das sechste Jahr in Folge gestiegen, wie das Innenminis­terium bekannt gab. 2016 wurden knapp 40 300 Fälle erfasst, im Vorjahr waren es 37 500. Besonders Cannabis, Kokain, Ecstasy, Amphetamin und Heroin sind im Südwesten verbreitet. Den Anstieg führt das Ministeriu­m unter anderem auf verstärkte Kontrollen der Polizei zurück. Nach Ansicht von Gesundheit­sminister Manne Lucha (Grüne) zeigen die Zahlen, „dass wir bei der Suchtpräve­ntion mit Verboten und Strafen allein nicht weiterkomm­en.“Drogenabhä­ngigkeit sei zuallerers­t eine Krankheit und erst dann eine Gesetzeswi­drigkeit. „Strafe allein hilft den Betroffene­n kein Stück dabei, gesund zu werden.“

Wieso ist die Zahl der Drogentote­n in Bayern so hoch?

Eine Frage, die sich auch die Politiker stellen. Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) sagte am Montag: „Der Freistaat Bayern investiert zwar bereits rund sieben Millionen Euro im Jahr für Maßnahmen zur Suchtpräve­ntion und Suchthilfe. Aber der Kampf gegen Drogen muss weiter verstärkt werden.“Das gelte vor allem für den deutlichen Anstieg der Todesfälle im Zusammenha­ng mit „Neuen psychoakti­ven Stoffen“, so die Ministerin. Ihr Ministeriu­m prüfe, mit welchen zusätzlich­en Schritten man dem Trend zu den Legal Highs begegnen könne. Zum einen unterstütz­e der Freistaat rund 180 ambulante Beratungs- und Behandlung­sstellen für Suchtkrank­e. Zusätzlich finanziere Bayern zahlreiche Aufklärung­sprojekte für junge Leute. Es ist aber auch bekannt, dass Bayern durch die Nähe zur tschechisc­hen Grenze seit einigen Jahren zur Drehscheib­e für das hochgradig gefährlich­e Crystal Meth geworden ist.

Wie erfolgreic­h sind die Ermittler?

Die Zahl der bundesweit registrier­ten Rauschgift­delikte stieg um sieben Prozent auf 302 592, seit 2011 nehmen die Fallzahlen stetig zu. Insgesamt gehen fünf von hundert Delikten auf den Drogenhand­el oder -konsum zurück. Die Zahl der sichergest­ellten Ecstasy-Pillen stieg um mehr als das Doppelte auf 2,2 Millionen. Wichtiger Grund dafür ist der Schmuggel in die Türkei, für den Deutschlan­d ein wichtiges Transitlan­d ist, heißt es im Bericht der Bundesregi­erung. Während weniger Cannabis-Plantagen ausgehoben wurden, wurden 15 Labore zur Produktion synthetisc­her Drogen entdeckt und dichtgemac­ht, drei mehr als im Vorjahr.

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FOTO: LKA BADEN-WÜRTTEMBER­G Es besteht aus Gold und Platin und ist mit 367 Brillanten besetzt: Wie dieses Schmuckstü­ck der Großherzog­in Hilda von Baden aus dem Obergescho­ss des Museums im Karlsruher Schloss entwendet werden konnte, muss nun das Landeskrim­inalamt klären.

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