Herzerwärmend
Ensemble Amarcord auf Amerikatour beim Bodenseefestival
TETTNANG - Von Amerika, dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“werden wir in den kommenden Wochen des Bodenseefestivals noch oft zu hören und zu lesen bekommen. Dass aber fünf Herren stimmlich und stilistisch vielseitig auf Amerikareise gehen können, konnte man im Rittersaal des Schlosses auf beglückende Weise erleben. Mit seinem eigens für das Bodenseefestival entwickelten Programm „900 miles away from home“begeisterte das Ensemble Amarcord mit klassischer Vokalmusik, mit Jazz und Gospels und dem einem Vokalensemble in der Tradition der Comedian Harmonists so eigenem Charme.
Musikalisch groß geworden sind alle im Thomanerchor Leipzig, teils noch zu DDR-Zeiten. Zum Ensemble zusammengetan haben sie sich 1992, nach der Schulzeit, als die Lust am Singen einfach nicht aufhören wollte. Immerhin drei der fünf, der Bariton und die beiden Bässe, sind noch aus der ersten Besetzung dabei. Wolfram Lattke, der erste Tenor, der sich so mühelos in höchste Lagen aufschwingt, kam 1995 dazu. Robert Pohlers, der Jüngste in der Runde und seit 2013 als zweiter Tenor im Ensemble, ist als „Kind der Einheit“des Jahrgangs 1994 gar jünger als Amarcord selbst. Tradition verpflichtet, im besten Sinne, zugleich sind Vielseitigkeit und Individualität der einzelnen Stimmen, die zusammen einen wunderbar homogenen Klang formen, das Markenzeichen des Ensembles Amarcord.
Ungemein wandelbarer Klang
„Variations on America“bedeutet in diesem Fall die Begegnung mit spätromantisch eigenwilligen Sätzen von Charles Ives oder mit vier klanglich raffinierten geistlichen Motetten von Aaron Copland, die dieser während des Studiums in Frankreich komponiert hatte. Bei ihren Recherchen sind die Leipziger auch auf den New Yorker Komponisten Lon Beery gestoßen: seine Vertonung eines zu Kriegszeiten in eine Kölner Kellerwand geritzten Gebets ist ebenso schlicht wie anrührend – eine Seelenmusik wie auch das sehnsüchtige „Where The Old Ohio Flows“.
Harmonisch komplex, schwärmerisch aufblühend oder bohrend eindringlich in ihrer Klage sind zwei Gesänge von Samuel Barber, die dieser auf irische Gedichte geschaffen hat. Mit einer schwebenden, klar intonierten Rilke-Vertonung von Morton Feldman lassen Amarcord ihrem ersten Tenor Wolfram Lattke in „Only“den Vortritt, bevor sie in drei Stücken von Hanns Eisler der schrägen Ironie und dem Sprachwitz des nach Amerika emigrierten Komponisten Raum geben.
Der Ensembleklang von Amarcord mit den hellen Tenorstimmen, dem weichen Bariton und den samtigen Bässen erweist sich auch im zweiten Teil des begeisternden Konzerts als ungemein wandelbar: sei es in den seelenvoll interpretierten Spirituals, sei es im heimwehkranken Titelsong des Programms oder in „Time“von Tom Waits, dessen knarzige Stimme von den Ex-Thomanern veredelt wird.
Mit Swing und Jazz, „Fly Me to The Moon“und „Lullaby of Birdland“bewegen sich die stilistisch so vielseitigen Sänger mit eigenen Arrangements auf verschiedensten Ebenen des amerikanischen Songs. Sie röhren zu Ray Charles’ „Hit The Road Jack“, spielen mit Körpersprache und Stimmfarben und kehren schließlich mit Sinead O’Connors „In This Heart“zum herzerwärmenden Ensemblegesang zurück.