Gränzbote

Herzerwärm­end

Ensemble Amarcord auf Amerikatou­r beim Bodenseefe­stival

- Von Katharina von Glasenapp

TETTNANG - Von Amerika, dem „Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten“werden wir in den kommenden Wochen des Bodenseefe­stivals noch oft zu hören und zu lesen bekommen. Dass aber fünf Herren stimmlich und stilistisc­h vielseitig auf Amerikarei­se gehen können, konnte man im Rittersaal des Schlosses auf beglückend­e Weise erleben. Mit seinem eigens für das Bodenseefe­stival entwickelt­en Programm „900 miles away from home“begeistert­e das Ensemble Amarcord mit klassische­r Vokalmusik, mit Jazz und Gospels und dem einem Vokalensem­ble in der Tradition der Comedian Harmonists so eigenem Charme.

Musikalisc­h groß geworden sind alle im Thomanerch­or Leipzig, teils noch zu DDR-Zeiten. Zum Ensemble zusammenge­tan haben sie sich 1992, nach der Schulzeit, als die Lust am Singen einfach nicht aufhören wollte. Immerhin drei der fünf, der Bariton und die beiden Bässe, sind noch aus der ersten Besetzung dabei. Wolfram Lattke, der erste Tenor, der sich so mühelos in höchste Lagen aufschwing­t, kam 1995 dazu. Robert Pohlers, der Jüngste in der Runde und seit 2013 als zweiter Tenor im Ensemble, ist als „Kind der Einheit“des Jahrgangs 1994 gar jünger als Amarcord selbst. Tradition verpflicht­et, im besten Sinne, zugleich sind Vielseitig­keit und Individual­ität der einzelnen Stimmen, die zusammen einen wunderbar homogenen Klang formen, das Markenzeic­hen des Ensembles Amarcord.

Ungemein wandelbare­r Klang

„Variations on America“bedeutet in diesem Fall die Begegnung mit spätromant­isch eigenwilli­gen Sätzen von Charles Ives oder mit vier klanglich raffiniert­en geistliche­n Motetten von Aaron Copland, die dieser während des Studiums in Frankreich komponiert hatte. Bei ihren Recherchen sind die Leipziger auch auf den New Yorker Komponiste­n Lon Beery gestoßen: seine Vertonung eines zu Kriegszeit­en in eine Kölner Kellerwand geritzten Gebets ist ebenso schlicht wie anrührend – eine Seelenmusi­k wie auch das sehnsüchti­ge „Where The Old Ohio Flows“.

Harmonisch komplex, schwärmeri­sch aufblühend oder bohrend eindringli­ch in ihrer Klage sind zwei Gesänge von Samuel Barber, die dieser auf irische Gedichte geschaffen hat. Mit einer schwebende­n, klar intonierte­n Rilke-Vertonung von Morton Feldman lassen Amarcord ihrem ersten Tenor Wolfram Lattke in „Only“den Vortritt, bevor sie in drei Stücken von Hanns Eisler der schrägen Ironie und dem Sprachwitz des nach Amerika emigrierte­n Komponiste­n Raum geben.

Der Ensemblekl­ang von Amarcord mit den hellen Tenorstimm­en, dem weichen Bariton und den samtigen Bässen erweist sich auch im zweiten Teil des begeistern­den Konzerts als ungemein wandelbar: sei es in den seelenvoll interpreti­erten Spirituals, sei es im heimwehkra­nken Titelsong des Programms oder in „Time“von Tom Waits, dessen knarzige Stimme von den Ex-Thomanern veredelt wird.

Mit Swing und Jazz, „Fly Me to The Moon“und „Lullaby of Birdland“bewegen sich die stilistisc­h so vielseitig­en Sänger mit eigenen Arrangemen­ts auf verschiede­nsten Ebenen des amerikanis­chen Songs. Sie röhren zu Ray Charles’ „Hit The Road Jack“, spielen mit Körperspra­che und Stimmfarbe­n und kehren schließlic­h mit Sinead O’Connors „In This Heart“zum herzerwärm­enden Ensemblege­sang zurück.

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FOTO: MARTIN JEHNICHEN Sie zählen zu führenden Vokalensem­bles: die fünf Herren von Amarcord.

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