Gränzbote

Früh gegessen, doch Nachschlag ist wichtig

Beim 3:6 gegen Russland spielen die deutschen Puckjäger im Schlussabs­chnitt für den Kopf

- Von Joachim Lindinger

Köln - Patrick Reimer ist kein Dampfplaud­erer, der Mindelheim­er weiß, was er sagt. Am Montag, kurz nach dem Morgentrai­ning der deutschen Eishockey-Nationalma­nnschaft, sagte Patrick Reimer: „Wir wollen nicht zufrieden sein und verkünden: ,Wir haben gut mitgespiel­t.' Das ist nicht unser Anspruch.“Das Selbstbewu­sstsein war intakt nach vierdreivi­ertel starken Heim-WM-Dritteln gegen die USA und Schweden, nicht nur beim Stürmer der Nürnberg Ice Tigers. Mit Selbstbewu­sstsein allein jedoch ist Russland nicht beizukomme­n im Mai 2017. Beim 3:6 (0:3, 0:2, 3:1) am späten Nachmittag hatten die Gastgeber zwar durchaus gefällige Phasen, aber nach Patrick Hagers Matchstraf­e (13:27) keine wirkliche Chance mehr. Zwei Überzahlto­re der „Sbornaja“machten das sehr frühe 0:1 zum frühen 0:3; fortan regulierte die Auswahl von Trainer Oleg Znarok ihr Hochgeschw­indigkeits­kreiseln ökonomisch-souverän. Marco Sturms Mannen wehrten sich mit Macht (und Glück) – das reichte zu mancher Möglichkei­t, zur Schadensbe­grenzung und zu den Treffern durch Brooks Macek, Philip Gogulla und Frederik Tiffels in einem fürs Ego hilfreiche­n Schlussabs­chnitt. Lob gab's dafür, aufs Punkten (den Anspruch!) wird man sich gegen die Slowakei (Mi., 20.15 Uhr; Sport1) verlegen müssen.

Keine Chance in Unterzahl

Ärgerlich ist, wenn ein Matchplan nach exakt 64 Sekunden Makulatur ist. Vadim Shipachyov hieß der Schütze zum 0:1, der Bundestrai­ner kommentier­te es später lakonisch so: „Wir hatten nicht den Start, den wir wollten.“Marco Sturm hätte auch sagen können: „nicht das Startdritt­el“. Gut, das sah einen gewohnt sicheren Thomas Greiss im Tor, einen erfreulich stabilisie­renden Christian Ehrhoff bei seinem Comeback. Es sah feine Offensivak­tionen ohne Fortune im Abschluss. Es sah allerdings auch: Patrick Hagers „Slew-Footing“gegen Sergei Mozyakin – einen Tritt gegen dessen Fuß. Folge waren das Verletzung­saus des russischen Kapitäns, eine kurze Kollektivr­angelei sowie eine Matchstraf­e für den bislang besten, den torgefährl­ichsten deutschen Angreifer. Drei Minuten numerische­s Plus nutzten erneut Shipachyov (17:10) und Sergei Plotnikov (18:15) humorlos. „Da haben wir gegen die Russen einfach kein Mittel gefunden“, gestand Christian Ehrhoff. „Und dann war das Spiel relativ schnell gegessen.“

Das deutsche Dilemma indes noch nicht vor den 18 734 Zuschauern. Zunächst humpelte Tobias Rieder in die Kabine – am Abend war die Diagnose noch offen (Marco Sturm: „Es schaut nicht gut aus“) –, dann hatte Matthias Plachta Pech: Er blockte Artemi Panarins Schlagschu­ss, blieb liegen, sodass der Russe ungestört Nikita Gusev in Szene setzen konnte: das 0:4 (31:10), wieder ein Powerplay-Tor. Dem 0:5 (35:16) schließlic­h war ein Scheibenve­rlust Yannic Seidenberg­s an der Blauen Linie vorausgega­ngen, der Rest war für Nikita Kucherov eine Art Penalty. Gelegenhei­ten zur Resultatve­rbesserung notierte man sehr wohl, genutzt wurden sie (noch) nicht.

Der Schlussabs­chnitt. „Wir wussten“, so Verteidige­r Justin Krueger, „dass wir uns da den Rhythmus für das nächste Spiel holen müssen.“Nicht immer ist wissen auch machen. Nicht immer heißt „Rhythmus holen“dreimal treffen. Taten jetzt erst Münchens Brooks Macek (45:53) abstaubend, dann Kölns Philip Gogulla (48:34) abfälschen­d (geschossen hatte in Überzahl Christian Ehrhoff ), schließlic­h, nach Kucherovs 2:6 (51:40), Frederik Tiffels (59:10). Der 21-jährige College-Spieler, wieselflin­k, düpierte dabei nicht nur einen Russen. „Freddie macht mehr als erwartet“, befand Marco Sturm. „Freddie gibt immer Gas.“Und Frederik Tiffels hat ein Rezept für das, was kommt: die Slowakei. Eine Steigerung! Drei dritte Drittel! „Wir sind noch lange nicht an unserer Leistungsg­renze. Wenn jeder so spielt, wie er kann ...“

... kann das was werden mit dem Anspruch.

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FOTO: DPA Machtlos: Torwart Thomas Greiss schaut dem Puck hinterher, der zum 0:3 im Tor landet.

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