Neue Vorwürfe gegen Erwin Müller
Drogeriemarkt-Krösus Erwin Müller soll Mitarbeiter bespitzelt haben
RAVENSBURG (sz) - Laut einem Bericht des „Stern“soll Erwin Müller, der Chef der gleichnamigen Drogeriemarktkette, Mitarbeiter bespitzelt haben. Dem Unternehmer aus Ulm wird in dem Bericht vorgeworfen, leitende Mitarbeiter abgehört zu haben. Müller soll Telefongespräche von Managern mitgeschnitten haben. Im „Stern“ist von „säckeweisen Kassetten mit abgehörten Mitarbeitergesprächen“und einem „erratischen Führungsstil“die Rede. Die Vorwürfe gegen Müller häufen sich in den letzten Jahren.
ULM - Die Vorwürfe wiegen schwer: Mit „Stasi-Methoden“soll der Ulmer Milliardär und Drogerie-Unternehmer Erwin Müller (84) seine Mitarbeiter bespitzelt haben, schreibt das Hamburger Magazin „Stern“in seiner neuesten Ausgabe. „Der Chef hört mit“lautet der Titel des Beitrags, in dem ehemalige Mitarbeiter und frühere Führungskräfte zitiert werden, die von einem „Klima der Angst und Bespitzelung unter den leitenden Mitarbeitern“berichten. Müller wollte am Donnerstag keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben, auch die Pressestelle des Unternehmens sei zu keinem Statement bereit, hieß es aus der Firmenzentrale.
Die Gewerkschaft Verdi, die auch die Beschäftigten im Einzelhandel vertritt, hat nach Angaben ihrer Sprecherin Eva Völpel keinen Einblick in das Müller-Imperium: „Es gibt bei Müller keinen Betriebsrat, daher wissen wir auch nichts über das Unternehmen“, sagte die Sprecherin am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die Kette sei eine „Blackbox“.
Dem „Stern“liegen nach eigenen Angaben Tonband-Kassetten vor, mit denen die Spitzel-Vorwürfe zu belegen seien. Müller habe die Aufnahmen während seiner Dienstfahrten abgehört. Der Firmenchef habe weiter „Vertrauliches aus Zweiergesprächen“gewusst.
Besonders hartnäckig sei Müller gegen einen Geschäftsführer vorgegangen. Der Firmenpatriarch verdächtigte den Angestellten, ihn anonym angezeigt zu haben. Müller kündigte ihm, den anschließenden Rechtsstreit führte er bis zum Bundesgerichtshof – und verlor.
In Österreich hat nach Angaben der Tageszeitung „Junge Welt“die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPAdjp) alle 2800 Müller-Mitarbeiter angeschrieben, 300 hätten geantwortet. Spind- und Taschenkontrollen ohne Anwesenheit der Beschäftigten, Anrufe der Vorgesetzten bei krankgeschriebenen Mitarbeitern und Druck seien an der Tagesordnung. Eine Betriebsvereinbarung gebe es nicht. In Österreich aber habe Müller auf Fragen der Gewerkschaft geantwortet: „Bezug nehmend auf Ihr Schreiben möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meine Mitarbeiter wie bisher selbst führen werde und bei uns im Aufenthaltsraum rote Kuverts ausliegen, wo jeder MA, wenn er einen Wunsch oder ein Problem hat, an mich direkt schreiben kann (…).“
Drittgrößter Drogerist
Der Unternehmer hatte genau vor 60 Jahren mit der Eröffnung eines Frisörsalons, in dem er nach und nach auch Parfüm und Kosmetikartikel verkaufte, den Grundstein für sein Drogerieimperium mit heute 756 Filialen gelegt. Bis heute führt er das Unternehmen weitgehend allein. Nach Firmenangaben soll im aktuellen Geschäftsjahr mit 34 000 Mitarbeitern ein Gruppenumsatz von über 4,35 Milliarden Euro erzielt werden.
Um die Weichen für die Zeit nach seinem Ausscheiden zu stellen, hatte Müller vor einigen Jahren bereits einen fünfköpfigen Beirat eingesetzt. Dieser soll die Geschäftsführung kontrollieren und sicherstellen, dass das Unternehmen auch nach seinem eigenen Ausscheiden weitergeführt wird. Immer wieder hatte es im Beirat und auch im Kreis der leitenden Angestellten Personalveränderungen gegeben.
In der Konzernzentrale in Ulm werden derzeit weitere juristische Auseinandersetzungen verfolgt. Am 22. Mai will das Landgericht Ulm eine Entscheidung über einer 45-Millionen-Euro-Klage verkünden. Müller fordert von der Schweizer Bank Sarasin Schadenersatz in dieser Höhe wegen angeblicher Falschberatung bei einer Investition in den Luxemburger Sheridan-Fonds. Das Institut bestreitet den Vorwurf.