Gränzbote

Sonnenunte­rgang nach 19 Jahren

Das einstige Vorzeigeun­ternehmen der deutschen Solarbranc­he ist an der Billigkonk­urrenz aus Asien gescheiter­t

- Von Hannes Koch

BERLIN - Mit einer kargen Meldung räumte der einstige Star der deutschen Sonnenener­giebranche am Mittwochab­end sein Scheitern ein. Der Vorstand der in Bonn ansässigen Firma Solarworld um Chef Frank Asbeck erklärte, die Gesellscha­ft sei „überschuld­et“, und sie werde „unverzügli­ch einen Insolvenza­ntrag stellen“. Als Grund nannte man „Preisverwe­rfungen“, also sinkende Marktpreis­e für Solarzelle­n und Module.

Das verblieben­e Kapital der Aktionäre ist damit in großer Gefahr. Die Arbeitsplä­tze stehen ebenso auf der Kippe. Derzeit beschäftig­t Deutschlan­ds größter Zellen- und Modulherst­eller etwa 3300 Leute in den Werken Freiberg (Sachsen), Arnstadt (Thüringen) und Hillsboro (US-Bundesstaa­t Oregon). Über ihre Zukunft entscheide­t bald der Insolvenzv­erwalter.

Vor der Bilanzpres­sekonferen­z im vergangene­n März machte Asbeck chinesisch­e Exporte zu „Dumpingpre­isen“für die Schräglage seiner Firma verantwort­lich. Dortige Hersteller würden ihre Zellen und Module unter Herstellun­gskosten auf dem Weltmarkt verkaufen und die Preise drücken.

„Die Pleite ist bitter für die Branche. Solarworld ist ein Opfer des internatio­nalen Wettbewerb­s, aber auch der harten Einschnitt­e der vergangene­n Jahre“, sagte Carsten Körnig, der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes Solarwirts­chaft. Er verlangte, die Bundesregi­erung solle das Ausbauziel für Solaranlag­en in Deutschlan­d erhöhen. Die derzeitige Obergrenze von 2,5 Gigawatt Zubauleist­ung pro Jahr macht vielen Firmen zu schaffen, weil sie Umsatz und Gewinne beschränkt. Die große Koalition will damit die Kosten der Energiewen­de im Rahmen halten.

Stürmische­s Wachstum ...

Seit der Gründung 1998 und dem Börsengang 1999 stand Solarworld dafür, dass die deutsche Energiewen­de auch für die Anlagenpro­duzenten eine ökonomisch­e Erfolgssto­ry sein konnte. Dank des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes der rot-grünen Regierung unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der hohen Festpreise für Solarstrom und des dadurch ausgelöste­n Nachfrageb­ooms wuchs das Unternehme­n rapide. Und Asbeck traute sich was: 2006 kaufte er die Solarspart­e des Ölkonzerns Shell, 2007 erwarb er von der japanische­n Komatsu-Gruppe das Werk in Hillsboro.

Schließlic­h verleibte Solarworld sich die Solarfilia­le von Bosch samt der Fabrik in Arnstadt ein. Zwischendu­rch bot Asbeck dem US-Konzern General Motors noch an, dessen defizitäre Tochter Opel mit über 30 000 Beschäftig­ten zu übernehmen, um aus ihr den ersten „grünen“Automobilb­auer zu machen. GM lehnte jedoch ab.

Unternehme­rsohn Asbeck, geboren 1959, trat mit 15 Jahren in die Jugendorga­nisation der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP) ein und war später ein Mitgründer der Grünen. Er musste sich oft dafür rechtferti­gen, dass er in einer Villa in Godesberg wohnte, von Entertaine­r Thomas Gottschalk das Schloss Marienfels am Rhein kaufte und einen Maserati fuhr.

... und dramatisch­er Einbruch

Großspurig, arrogant? Überreizte Asbeck sein Blatt? 2012 war die Glücksträh­ne jedenfalls zu Ende. Unter dem Strich stand ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Neben dem rapiden Wachstum machten sich vor allem zwei Ursachen bemerkbar: Erstens kürzte die Bundesregi­erung die Einspeisev­ergütung für erneuerbar­e Energien, weil die steigenden Kosten zu politische­n Konflikten führten. Zweitens stiegen chinesisch­e Firmen in den Weltmarkt ein. Sie sorgten dafür, dass die Preise für PV-Zellen und Module massiv zurückging­en.

Solarworld stand kurz vor dem Aus. Nur mit einem Schulden- und Kapitalssc­hnitt überlebte die Firma. Gläubiger und Aktionäre verzichtet­en auf einen Großteil ihrer Ansprüche. Danach ging es wieder etwas aufwärts, auch weil unter anderem Asbeck bei der EU gegen die chinesisch­en Importe klagte und Strafzölle durchsetzt­e. Behoben ist das grundsätzl­iche Problem damit aber offenbar nicht. Der Preiskampf setzt sich fort – ein Grund für die neuerliche­n Verluste.

Boom und Niedergang – diese Entwicklun­g traf in den vergangene­n Jahren aber nicht nur Solarworld. Eher ist es erstaunlic­h, dass die Bonner Firma so lange durchhielt. Bei anderen Stars der Branche in Deutschlan­d war das nicht so: Solon in Berlin musste aufgeben, Q-Cells in Bitterfeld ebenso. Auch die US-Firma First Solar hat ihre Zellfertig­ung in Frankfurt/Oder eingestell­t. Übrig blieben einige Modulherst­eller. Ab 2010 ging etwa ein Drittel der Arbeitsplä­tze der deutschen Solarindus­trie verloren. 2014 gab der Bundesverb­and Solarwirts­chaft noch 60 000 VollzeitSt­ellen an.

Stark vertreten sind hierzuland­e nach wie vor Komponente­n-Hersteller wie die Firma SMA in Kassel, die Wechselric­hter baut. Und der einheimisc­he Maschinenb­au beliefert einen guten Teil der internatio­nalen Zellenprod­uzenten mit Fertigungs­anlagen.

Während der deutsche Markt für Solaranlag­en wegen der geringeren staatliche­n Unterstütz­ung und Einspeisev­ergütung viel langsamer wächst als noch vor fünf Jahren, dehnt sich das Produktion­svolumen in anderen Staaten zunehmen aus. So hoffte auch Solarworld-Chef Asbeck auf das Wachstum des Weltmarkte­s. Die großen Investoren teilten diese Hoffnung anscheinen­d nicht mehr.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Vorstandsv­orsitzende von Solarworld, Frank Asbeck, hat nach Jahren der Krise das Ruder nicht mehr herumreiße­n können.
FOTO: DPA Der Vorstandsv­orsitzende von Solarworld, Frank Asbeck, hat nach Jahren der Krise das Ruder nicht mehr herumreiße­n können.

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