Patentstreit wirft Schatten auf Zeiss
Der Optik- und Halbleiterspezialist wird trotz des juristischen Ärgers optimistischer
RAVENSBURG - Der Patentstreit mit Nikon hat einen Schatten auf die ansonsten lupenreine Halbjahresbilanz des Optik- und Halbleiterspezialisten Zeiss aus Oberkochen (Ostalbkreis) geworfen. Wie Zeiss-Chef Michael Kaschke am Donnerstag mitteilte, sei man in diesen Streit ungewollt hineingezogen worden. „Bei Zeiss analysieren und respektieren wir Patente mit großer Sorgfalt. Den Vorwürfen von Nikon widersprechen wir vehement“, sagte Kaschke.
Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Nikon auf der einen und Zeiss und dem niederländischen Chipausrüster ASML auf der anderen Seite ist ein sogenanntes Kreuzlizenzabkommen, das beide Parteien vor nunmehr knapp 15 Jahren geschlossen hatten. In diesem Abkommen wurde die gegenseitige Nutzung von Patenten geregelt für die, wie das Wirtschaftsmagazin „Forbes“recherchierte, Zeiss und ASML 145 Millionen US-Dollar an Nikon zahlen mussten. 58 Millionen US-Dollar davon entfielen auf Zeiss.
Das Abkommen hatte eine Laufzeit von zehn Jahren und bezog sich auf den damaligen Patentstand. In der anschließend vereinbarten zweijährigen Friedenspflicht wollten sich beide Seiten auf eine Neuregelung und Verlängerung verständigen – davon zumindest gingen Zeiss und ASML aus. Doch die Japaner wählten stattdessen den Rechtsweg und verklagten die Europäer Ende April. „Warum, darüber kann ich nur spekulieren“, sagte Kaschke. Vier Tage nach dem Schritt von Nikon reichten Zeiss und ASML entsprechende Gegenklagen ein.
Gegenstand des Rechtsstreits sind im Wesentlichen Patente der DeepUltra-Violet-Technologie (DUV). Sie betreffen damit den Kern des Lithografiegeschäfts von Zeiss, das für gut ein Fünftel des Konzernumsatzes steht. Die neue EUV-Technologie, in die Zeiss und ASML große Hoffnungen setzen, ist von den Patentklagen dagegen nicht betroffen. Mit Lithografiesystemen produzieren Unternehmen wie Intel oder Samsung Computerchips. Da Zeiss und ASML sowie Nikon den Markt beherrschen, blicken auch die Chiphersteller mit Sorge auf die Auseinandersetzungen der beiden Kontrahenten.
Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“verneinte Kaschke, für den anstehenden Rechtsstreit finanzielle Risikovorsorge getroffen zu haben. Allerdings habe man für mögliche Ausgleichszahlungen, die im Rahmen einer Verlängerung des Kreuzlizenzabkommens auf Zeiss hätten zukommen können, Rückstellungen gebildet. „Das gebietet der vorsichtige Kaufmann“, so Kaschke.
Ob die beiden Partner Zeiss und ASML in der anstehenden Auseinandersetzung mit Nikon einen erneuten außergerichtlichen Vergleich anstreben oder es auf eine Entscheidung vor Gericht ankommen lassen, blieb offen. „Unsere Verhandlungsführung kommentieren wir nicht“, sagte Kaschke.
Ausblick: Zeiss wird mutiger
Von diesem Thema abgesehen hatte der Zeiss-Chef am Donnerstag aber auch Erfreuliches zu berichten. Das erste Semester des Geschäftsjahres 2016/17, das am 30. September endet, habe Zeiss „sehr erfolgreich abgeschlossen“, so Kaschke. Umsatz, Ergebnis und Auftragseingang stiegen im Vergleich zur Vorjahresperiode jeweils zweistellig an, wobei alle Sparten des Konzerns zum Wachstum beitrugen. Besonders dynamisch entwickelten sich die Umsätze in der Halbleitertechnik (plus 29 Prozent), wo Kaschke neben einer hohen Nachfrage nach DUV-Lithografiesystemen auch „wachsende Impulse durch die EUV-Technologie“ausmachte.
Auch die Erlöse in der Sparte Medizintechnik, die im Wesentlichen von der Beteiligung an der Carl Zeiss Meditec AG stammen, wuchsen mit plus zehn Prozent zweistellig. Hier führte Zeiss unter anderem ein neues Dentalmikroskop ein, mit dem Zahnärzte kariöses Gewebe identifizieren können und das die Arbeit wesentlich erleichtert.
Regional stach einmal mehr Asien hervor, insbesondere China und Indien mit Wachstumsraten von 21 beziehungsweise 32 Prozent. In diesen Märkten will Zeiss sein Geschäft auch perspektivisch deutlich ausbauen.
Für das Gesamtjahr erwartet der Zeiss-Chef eine Fortsetzung des Wachstumstrends. „Wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation nicht wesentlich ändert, werden wir unsere Wachstumsdynamik halten“, so Kaschke, der damit einen etwas mutigeren Ausblick formulierte als sonst üblich bei Zeiss.