Der Papstbesuch befeuert den religiösen Tourismus
100 Jahre Fátima: Wie ein Wunder aus einem Bauerndorf in Portugal einen boomenden Wallfahrtsort machte
MADRID - Lange Zeit war Fátima ein unbedeutendes portugiesisches Bauernnest. Bis drei arme Hirtenkinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren, die auf einem Acker Schafe hüteten, über wundersame Erscheinungen der Jungfrau Maria berichteten. Dank dieses „Wunders von Fátima“wurde das Dorf zum berühmten Wallfahrtsort. Der Stolz der Portugiesen auf ihr Heiligtum ist so groß, dass sie den Pilgerort zu ihren drei nationalen Markenzeichen zählen: Fußball, den melancholischen Fado-Gesang und eben Fátima.
Nun steht Fátima im Blickpunkt der Welt und wird zum Schauplatz des wichtigsten katholischen Ereignisses in diesem Jahr. Am Samstag ist es 100 Jahre her, dass die drei kleinen Schafhirten Lucía, Jacinta und Francisco auf einer Weide ein „strahlendes Licht“sahen, das sie als Zeichen der Muttergottes interpretierten, die den Kindern geheimnisvolle Weissagungen offenbart haben soll.
Diese religiöse Begegnung löste einen Pilgerstrom aus, der mit der Jubiläumsfeier und dem heutigen Papstbesuch seinen Höhepunkt erreichen wird: Papst Franziskus wird die Hirtenkinder Jacinta und Francisco, zwei Geschwister, die kurz nach ihrer Marienvision an der spanischen Grippe starben, heilig sprechen. Das dritte „Seherkind“, ihre Cousine Lucía, wurde Nonne und starb 2005 mit 97 – für sie ist ein Seligsprechungsprozess im Gang. Lucía schrieb erst mehr als zwei Jahrzehnte nach der Marienerscheinung die religiösen Botschaften auf. Fátima hat für den Vatikan besondere Bedeutung: Eine der mysteriösen Prophezeiungen, welche die Kinder 1917 vernommen haben wollen, wird als Voraussage des Pistolenattentats auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 gedeutet. Der Angriff auf dem Petersplatz in Rom hatte sich am selben Tag ereignet, an dem die erste Marienerscheinung stattgefunden haben soll. Johannes Paul, der lebensgefährlich verletzt worden war, glaubte damals, dass Maria ihn vor dem Tod bewahrt habe.
Diese päpstliche Auslegung mehrte noch den Ruhm Fátimas, wo den religiösen Wundern zunehmend wirtschaftliche Wunder folgten, welche den Hirtenort aufblühen ließ: Die Bauern eröffneten immer mehr Herbergen, sodass ihr Dorf mit dem arabischen Namen heute schon fast so viele Gästebetten wie Einwohner hat. Auch Restaurants und Souvenirshops reihen sich aneinander.
Inzwischen kommen jedes Jahr Millionen Pilger in den 12 000-Einwohner-Ort, der rund 130 Kilometer nördlich von Lissabon liegt. Allein im Mai, dem Höhepunkt des FátimaJahres, werden zwei Millionen Besucher erwartet, in ganz 2017 hofft man auf acht Millionen Pilger. Und die Fátima-Reisenden geben laut Statistik mehr aus als normale Touristen.
Der Papstbesuch kurbelt das Geschäft weiter an. Die Hotelpreise schossen in den vergangenen Wochen in den Himmel. Zimmer die sonst für 100 Euro zu haben sind, kosten plötzlich 1000 Euro. Die ziemlich unchristlichen Preise schrecken offenbar niemanden ab. „Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es kein Bett mehr“, berichtet die regionale Hotelvereinigung.
Auch die Souvenirshops sind für den Pilgeransturm gerüstet, ihre Lager sind voll. Ihr Verkaufsschlager sind Knieschoner, die fünf Euro kosten, und die für das entscheidende Stück der religiösen Reise hilfreich sind: Die letzten knapp zweihundert Meter bis zur „Erscheinungskapelle“, die genau dort steht, wo die Jungfrau im Geäst einer Steineiche aufgetaucht sein soll, rutschen viele Menschen auf Knien über den Platz.
Die meisten Pilger, von denen manche Hirtenkleidung tragen, kommen, um für ihren seelischen Frieden oder für die Gesundung ihres Körpers zu beten. „Der Besuch hat mein Herz gewärmt“, berichtet der Spanier Rafa Hernandez, der sich einige Tage vor der Papstreise auf den Weg nach Fátima gemacht hatte, um dort noch ohne Trubel in sich zu gehen.
Auch eine „Wunderheilung“ist überliefert und wurde 1998 von der Ärztekommission des Vatikans bescheinigt: Demzufolge lag die Portugiesin Maria Emília Santos 22 Jahre gelähmt im Bett – bis sie im Gebet die Muttergottes und die drei Hirtenkinder angerufen habe: „Dann geschah das Wunder“, soll sie gesagt haben, „ich konnte plötzlich wieder laufen.“
Viel Platz zum Beten
Platz zum Gebet gibt es reichlich. Zur Wallfahrtsstätte von Fátima gehört der größte Kirchenvorplatz der Welt. Drumherum gruppieren sich neben der „Erscheinungskapelle“mit der berühmten Marienstatue zahlreiche Gebetsräume. Darunter sind gleich zwei große Tempel: die gigantische „Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit“, die vor zehn Jahren eingeweiht wurde, und mit annähernd 9000 Sitzplätzen zu den vier größten katholischen Kirchen der Welt gehört. Und gegenüber die „Alte Basilika“, in der die drei Hirtenkinder begraben liegen.
Seit Wochen putzt sich Fátima für die 24-stündige Papstvisite, die am Samstag endet, heraus: Fassaden werden gestrichen, Bodenplatten auf dem riesigen Kirchplatz erneuert, Großbildschirme und Kameras installiert. „Wir werden dann nicht nur eine Million Besucher hier haben“, freut sich Domingos Neves, Chef des örtlichen Unternehmerverbandes, „sondern die 1,2 Milliarden Katholiken der ganzen Welt werden auf Fátima schauen.“