Gränzbote

Die Titanic verschwind­et

Bakterien zerfressen den 3800 Meter tief liegenden, legendären Luxusdampf­er

- Von Janet Binder

BREMERHAVE­N (dpa) Der Untergang der Titanic ist die wohl bekanntest­e Katastroph­e der Seefahrt: Nach der Kollision mit einem Eisberg auf seiner Jungfernfa­hrt von Southampto­n in England nach New York sank der Luxusdampf­er in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912. Rund 1500 der mehr als 2200 Menschen an Bord kamen ums Leben. Nun könnte bald schon auch das Wrack Geschichte sein.

1985 wurde das Schiff in 3800 Metern Tiefe auf dem Grund des Atlantisch­en Ozeans entdeckt. Inzwischen ist es in keinem guten Zustand mehr. Schon in 15 bis 20 Jahren könnten die Überreste komplett verschwund­en sein, schätzen Wissenscha­ftler des Bremerhave­ner AlfredWege­ner-Instituts (AWI) für Polarund Meeresfors­chung. Die Ursache: bakteriell­er Eisenfraß.

„Das Wrack ist von Biofilmen und Rost überzogen“, erklärt Antje Boetius vom AWI. Forscher entdeckten vor einigen Jahren in den Rostflocke­n eine Bakteriena­rt, die nach ihrem Fundort Halomonas titanicae genannt wurde. „Eigentlich wächst dieses Bakterium gerne im Warmen bei über 30 Grad“, sagt Boetius. „Aber dort, wo das Wrack liegt, sind es vier Grad.“

Lochfraß durch Mikroben

In der kalten Tiefsee müssten die Schiffsübe­rreste also eigentlich geschützt sein. Tatsächlic­h aber zersetzen die Mikroben die Schiffswän­de. „Sie tragen dabei nicht langsam Millimeter für Millimeter die Oberfläche ab, sondern verursache­n Lochfraß“, sagt die Tiefseefor­scherin. „Dadurch wird das Wrack instabil und fällt irgendwann zusammen.“

Auch den Grund für die schleichen­de Zersetzung des UnescoWelt­kulturerbe­s können die Wissenscha­ftler erläutern: „Die Bakterien entziehen dem Eisen des Schiffswra­cks Elektronen als Energieque­lle, um wachsen zu können“, sagt die Professori­n. „Sie leben also direkt vom Metall.“Und ebendieser Elektronen­entzug führt dazu, dass das Metall rostet. „Ein fasziniere­nder Prozess“, findet Boetius.

Auch für moderne Unterwasse­rbauwerke seien die Folgen des Eisenfraße­s gefährlich, sagt Boetius. So könnten die Bakterien an Unterwasse­r-Ölpipeline­s ähnliche Schäden anrichten wie an der Titanic. „Das ist ein Problem im Meer, über das die Industrie nicht gerne spricht“, sagt die Wissenscha­ftlerin.

Der Vorsitzend­e des „Deutschen Titanic-Vereins von 1997“, Malte Fiebing-Petersen, sieht den kompletten Zerfall noch nicht ganz so bald kommen wie die AWI-Experten. „Die Natur holt sich das Schiff zurück. Das ist der Lauf der Dinge“, sagte FiebingPet­ersen. Allerdings sei der Stahl nicht überall gleich dick. Die oberen Decks seien vermutlich tatsächlic­h in 10 bis 15 Jahren verschwund­en. Die eigentlich­e Schiffshül­le aber sei aus dickerem Stahl. „Den aufrecht stehenden Bug werden wir noch viele Jahrzehnte haben.“

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT Besucher des Panometers in Leipzig betrachten das neue 360-Grad-Panorama der Titanic von Yadegar Asisi. Das echte Wrack könnte bald verschwund­en sein.

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