Wenn der Körper nicht mehr gehorcht
Theaterstück „Ziemlich beste Freunde“thematisiert Leben als Querschnittsgelähmter
TUTTLINGEN - „Ziemlich beste Freunde“: Die Theaterversion des französischen Kinohits aus dem Jahr 2011 hat am Mittwoch weit über 500 Zuschauer in die Stadthalle gelockt. Langer und kräftiger Applaus dankte der Truppe „Thespiskarren“für die lockere Umsetzung eines ernsten Themas.
„Das ist es, was ich will: kein Mitleid!“Timothy Peach in der Rolle des querschnittgelähmten Philippe hat sicher die schwierigste Rolle der vier Tournee-Schauspieler. Zweieinhalb Stunden lang spielte er den nach einem Paragliding-Unfall Bewegungsunfähigen. Keine spontane Geste mit den Händen, kein eigener Schritt, wie eine Puppe geschüttelt zu werden. Peach, 1963 geboren, hat also nur Mimik und Sprache zur Verfügung, um seine Gefühle auszudrücken. Das gelingt ihm bestens.
Zu Beginn des Stücks ist er wieder mal auf Suche nach einem Pflegehelfer. Die meisten halten es nicht lange aus mit dem Zyniker, und er nicht mit ihnen. Gerade sitzt wieder ein Bewerber da und labert über „das Menschliche“, über „Personen, die zu nichts in der Lage sind“und über „Wohngeldzuschüsse“. Die braucht Philippe nun wirklich nicht, lebt er doch in einem Palais. Also „der Nächste bitte“.
Das ist ein etwas raubeiniger junger Mann afrikanischer Herkunft namens Driss. Der will den Job eigentlich gar nicht, braucht aber drei Absagen, um an die „Stütze“zu kommen. Felix Frenken, 38, füllt diese Paraderolle hervorragend aus. Er schafft es, nicht nur die Zuneigung seines Brötchengebers, sondern auch die Herzen des Tuttlinger Publikums zu gewinnen. Nur bei seinem Werben um die kühle, schöne Magalie, Philippes Privatsekretärin, hat er keinen Erfolg. Nicht nur diese Rolle spielt die aus Niedersachsen stammende Schauspielerin und Akrobatin Sara Spennemann: Mit blonder Perücke gibt sie auch die Massage-Fee Olga und beschäftigt sich mit Philippes „ohrogenen Zonen“und hat ganz am Schluss noch einen Kurzauftritt als Elénore, die Brieffreundin aus Dünkirchen.
Weniger dankbare Rollen übernimmt André Lassen: Er trampelt als bornierter Pfleger um Philippe herum, als Driss notgedrungen zu seiner Familie in einen Pariser Vorort zurückkehrt, und versucht als Philippes Bruder Antoine gegen Driss zu intrigieren.
Raffiniert ist die Bühne: Schreibtisch, Stühle und eine drehbare Kemenate mit Krankenbett. Echt ist der schnelle E-Rollstuhl, von einer Firma in Isny zur Verfügung gestellt. Gekonnt schlicht auch die Garderobe. Perfekt die Regie durch Gerhard Hess. Spontan die Reaktionen, teils herzliches Lachen, teils auch Protest aus dem Saal: Im Publikum sind rund 70 Behinderte, deren Theaterbesuch von der Lebenshilfe organisiert wurde. Und die am besten wissen, wie das mit dem Mitleid ist.