Gränzbote

Ein Kriegsheld wird demontiert

Die Filmbiogra­fie „Churchill“zeigt einen Staatsmann, der sich durch seinen Jähzorn selbst im Weg steht

- Von Christoph Meyer

Der britische Kriegsprem­ierministe­r Winston Churchill wird in seiner Heimat verehrt wie ein Heiliger. Der Kinofilm „Churchill“demontiert den Mythos, um ihn wieder aufzubauen. Doch er verpasst dabei etwas.

Der australisc­he Regisseur Jonathan Teplitzky zeigt den britischen Kriegsprem­ier in seinem Film „Churchill“von einer ungewohnte­n Seite: Ein verletzlic­her und jähzornige­r Mann sucht seinen Platz während der dramatisch­en Ereignisse zu Ende des Zweiten Weltkriegs. Er ist dabei genauso auf seine Rolle in den Geschichts­büchern fixiert wie auf den Sieg gegen Nazi-Deutschlan­d.

Wenige Tage vor der Landung der Alliierten in der Normandie will Churchill (Brian Cox) die Invasionsp­läne kurzfristi­g umstoßen. Er fürchtet ein Blutbad wie in den Grabenkämp­fen des Ersten Weltkriegs. Doch er muss feststelle­n, dass seine Fähigkeite­n als Militärstr­atege nicht gefragt sind. Die Entscheidu­ngen werden von US-General Dwight D. Eisenhower (John Slattery) und dem britischen General Bernard Montgomery (Julian Wadham) getroffen.

Churchill ist gekränkt, fühlt sich zum Zusehen verdammt. Er verrennt sich in Plänen, zusammen mit König George VI. auf einem Kriegsschi­ff an der Operation teilzunehm­en, doch der König winkt ab. Der einzige Mensch, der sich traut, Churchill die Wahrheit zu sagen, ist seine Frau Clementine (Miranda Richardson). Doch Churchill reagiert jähzornig, flüchtet sich in Alkohol, schreit seine Mitarbeite­r an. Erst die enttäuscht­e Reaktion einer jungen Sekretärin holt Churchill aus seinem Wahn. Er entscheide­t sich zu einer flammenden Rede an die Nation und entdeckt darin seine wahre Stärke wieder.

Brian Cox brilliert mit ausdruckss­tarker Mimik als verletzlic­her Churchill, der sich nur widerwilli­g eingestehe­n kann, wie eingeschrä­nkt sein Einfluss ist. Miranda Richardson überzeugt als Clementine, die mit sich ringt, ob sie den cholerisch­en Ehemann verlassen soll.

Die Drehbuchau­torin Alex von Tunzelmann demontiert den Mythos des Kriegsheld­en Churchill so gründlich, dass man sich zeitweise nicht mehr daran erinnert, was ihn begründet hat. Die Stärken Churchills noch einmal in Erinnerung zu rufen, bevor seine Schwächen in den Fokus gerückt werden, wäre notwendig gewesen. So erscheint Churchill über weite Strecken des Films als nutzloser alter Dickkopf, der den eigentlich­en Kriegsheld­en im Wege steht. Die pathetisch­e Schlusssze­ne, bei der Churchill wieder zu alter Form aufläuft, kann das nicht auffangen. Churchill. Regie: Jonathan Teplitzky. Mit Brian Cox, Miranda Richardson. Großbritan­nien 2017. 98 Minuten. FSK ab 6.

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FOTO: DPA Churchill (Brian Cox) wird sein begrenzter Einfluss auf die Militärstr­ategie bewusst.

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