Vereint im Glauben als Schwestern und Brüder leben
Pfarrer Matthias Kohler berichtet in einem Tagebuch vom Evangelischen Kirchentag in Berlin
BERLIN - Es ist Dienstag, 22 Uhr. Die Spannung vor dem Pfarrhaus ist mit Händen zu greifen. Alle freuen sich auf die Tage beim Evangelischen Kirchentag in Berlin. Ohne Stau bringen wir die 760 Kilometer hinter uns und kommen morgens um sieben Uhr in unserem Kirchentagsquartier im Carl von Ossietzky-Gymnasium an.
„Zu früh“, grummelt der Hausmeister. Aber nach einem Kurzbesuch in einem Café können wir die vier Klassenzimmer beziehen, breiten Isomatte und Schlafsack aus und sinken in einen kurzen, aber seligen Schlaf. „Auf zum Brandenburger Tor“, erschallt der Ruf. Aber einfach so kommt keiner mehr auf den Platz.
Straßensperren lenken die Besucherströme und sollen Anschläge verhindern. Taschen und Rucksäcke werden kontrolliert, Kirchentagsbesucher lassen alles geduldig über sich ergehen.
Direkt vor der Bühne am Reichstagsgebäude ergattern wir einen Platz. Nach einem leichten Regen blitzt rechtzeitig zu Beginn des Gottesdienstes die Sonne durch die Wolkendecke. Die Losung des Kirchentages „Du siehst mich“zieht sich durch den Gottesdienst. Einander wahrnehmen, Gott wahrnehmen. Aber auch, dass Gott uns sieht. Das waren Aspekte, die in Predigt, Liedern und Gebeten ausgebreitet werden.
Zehntausende singen, beten und feiern mit, kurzweilig wechseln sich Chor, Bläser und Texte ab. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, und der katholische Bischof von Berlin, Heiner Koch, weiten in Grußworten den Blick in die Ökumene, blicken von außen auf den Kirchentag und geben der Hoffnung Ausdruck, dass es nicht beim bloßen Sehen und einander Wahrnehmen bleibt, sondern es zum Zusammenwachsen kommt.
Ihre Reden berühren uns. Zehntausende stehen wie wir auf der Wiese vor dem Reichstag. Hunderttausende feiern in den Straßen Berlins. Man sieht sich, begegnet sich: Menschen aus allen Herren Ländern, verschiedener Hautfarbe und verschiedener Religion, ein Stück weit vereint in dem Glauben, dass Gott alle erschaffen hat, dass alle Gottes Kinder sind und darum als Schwestern und Brüder leben sollen.
Am „Abend der Begegnung“präsentieren sich die Kirchengemeinden mit ihren Projekten und mit kulinarischen Schmankerl aus der Region. Wir essen uns durch. Vom vielen Stehen und Laufen tun uns die Füße weh, ein Bier im Sitzen bringt die Energie zurück.
Zum Abendsegen gehen wir auf den „Gendarmenmarkt“. Von der großen Bühne tönt schöne Musik. „Bless the Lord my soul“– Gott möge meine Seele segnen – dringt ein in unsere Seelen. Kerzen werden entzündet, Licht einander weitergereicht. Eine feierliche, besinnliche Stimmung breitet sich aus. Wir sind erfüllt von der warmen Atmosphäre, von den Worten des Segens und von den schönen Bildern um uns herum ja und müde sind wir auch!
Im Quartier dauert es keine fünf Minuten, bis der Raum erfüllt ist von sonorem Schnarchen. Kurz ist der Schlaf, aber intensiv bis zum nächsten Kirchen-Tag. „Obama“steht auf dem Programm und vieles mehr…