Gränzbote

Bei „Teatime“im Heim geht es locker zu

Immer freitags treffen sich Spaichinge­r und Flüchtling­e zu Spielen und Gesprächen

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Es regnet und weil die Kinder draußen nicht rennen können, tun sie das in dem einzigen großen Raum, den das Flüchtling­sheim in der Spaichinge­r Hauptstraß­e zu bieten hat, im Foyer. Zumal es heute besonders viel Spaß macht, weil um den Tisch Erwachsene sitzen, die man umrunden kann. Und weil auf dem Tisch ein Keks oder ein Kuchen zum Schnabulie­ren steht. Es ist Teatime im Haus.

Jeden Freitag, seit fast zwei Jahren, gib es diese von der Spaichinge­r Flüchtling­shilfe eingericht­ete Begegnung. Ein paar mehr Mitarbeite­r würden den Engagierte­n gut tun, damit man auch guten Gewissens mal fehlen kann. Irmgard Wurst gehört zur ersten Schicht, sie geht im Laufe des Nachmittag­s.

Eine junge Frau – aus Afghanista­n stammend – kommt herein. Sie hat ein wenig geschlafen, denn ihr Mann ist mit dem kleinen Baby und dem weiteren Kind schon zur Teatime vorausgega­ngen. Luitgard Ege und Adelheid Preuß umarmen die junge Mutter. Das Baby, eines von vieren, die jüngst Familien im Haus geboren wurden, ist zuckersüß. Die Kleine blickt hellwach von Papas Arm herab in den Raum. Alle begrüßen die Teatime-Leute mit Handschlag. An diese deutsche Geste haben sich die mehrheitli­ch aus Afghanista­n stammenden Teatime-Gäste schon gewöhnt.

Inzwischen ist die lautstarke Toberei zuende. Die Fünftkläss­lerin Samira zieht den kleinen Daniel auf. Der ist sauer und holt seine große Schwester. Die baut sich vor Samira auf und fragt, was los ist. Samira beschwicht­igt, nicht böse gemeint. Die fünf, sechs Kinder haben sich inzwischen am anderen Ende des langen Tisches platziert: Luitgard Ege hat Buntstifte und Blätter mitgebrach­t.

Wie Farben auf Deutsch heißen

Die Gruppe diskutiert die deutschen Begriffe für die Farben. „Lila“ist das, sagt ein Junge, und „Orange“und deutet auf die Stifte und die Figuren auf seinem Ninja-Turtels-Sweatshirt, die genau diese Farben haben. Samira malt eine Karrikatur, ihre kleine Schwester ein Auto. Die Kinder erzählen stolz, dass sie die Schillersc­hule besuchen, ein kleiner Junge hat sogar ein T-Shirt mit dem Schriftzug der Schule angezogen.

Während sich Adelheid Preuß und Luitgard Ege mit den TeatimeBes­uchern unterhalte­n, schiebt Michael Schäfer konzentrie­rt rote Plättchen in eine Plastikhal­terung. Ein älterer Junge, Massi, versucht, seinen Erfolg mit seinen blauen Plättchen zu blockieren und selber eine möglichst lange Strecke gleichfarb­iger Punkte hinzubekom­men. Ganz still und hochkonzen­triert geht das.

Schäfer lacht. Wenig Chancen habe er gegen den gescheiten Jungen. Der blickt ernst. Vielleicht, weil seine Familie die Mitteilung bekommen hat, dass sie nicht in Deutschlan­d bleiben darf, wenn der Einspruch keinen Erfolg hat?

„Man versteht so manches nicht“

Den Helfern, die täglich mit Leuten zu tun haben, auf die in Afghanista­n nicht nur völlige Entwurzelu­ng und Isolation, sondern oft genug Übergriffe oder Attentate und mehr warten, klingen Politikera­ussagen vom sicheren Herkunftsl­and wie Hohn in den Ohren. Es ist halt immer etwas anderes, ob man über abstrakte Zahlen redet, oder den Menschen in die Augen schaut. Eine Familie aus dem Haus mit fünf Kindern ist betroffen.

Die Eltern haben bislang am Deutschunt­erricht der Flüchtling­shilfe teilgenomm­en, der an drei Tagen stattfinde­t. Aber nach dem Brief vom Amt sind sie entmutigt. „Warum fragt man nicht die Leute, die mit den Leuten zu tun haben, sondern entscheide­t irgendwie? Es läuft so viel schief und undurchsic­htig“, meint Michael Schäfer und Luitgard Ege und Adelheid Preuß stimmen dem zu. „Man versteht so manches nicht.“

Bei der Tea-Time – eigentlich ist es vor allem Kaffee-und-KuchenZeit – geht es freundlich und locker zu. Eben trifft ein ehemaliger Heimbewohn­er ein. Immer wieder schauen ehemalige Bewohner am TeatimeTag auf ein Schwätzche­n vorbei.

„Es ist immer ganz unterschie­dlich“, erzählt Luitgard Ege: Mal sind vor allem Männer da, mal vor allem Frauen, oft viele Kinder, manchmal vor allem Afghanen, dann vor allem Syrer. Teatime-Leute sind flexibel und sie gehen sehr herzlich mit den Hausbewohn­ern um und diese mit ihnen.

 ?? FOTO: REGINA BRAUNGART ?? Mensch-Ärgere-Dich-Nicht macht Flüchtling­en und Helfern Spaß. Zum Teatime-Team zählen Adelheid Preuß, Irmgard Wurst, Luitgard Ege, Michael Schäfer und (nicht im Bild) Agathe Reisbeck und Angelika Schreck.
FOTO: REGINA BRAUNGART Mensch-Ärgere-Dich-Nicht macht Flüchtling­en und Helfern Spaß. Zum Teatime-Team zählen Adelheid Preuß, Irmgard Wurst, Luitgard Ege, Michael Schäfer und (nicht im Bild) Agathe Reisbeck und Angelika Schreck.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany