Gränzbote

Im Obstbau drohen große Umwälzunge­n

Wegen wiederkehr­ender Frostgefah­r müssen Bauern wohl in mehr Schutz investiere­n

- Von Uwe Jauß

WANGEN - Der Obstanbau dürfte sich in den nächsten Jahren verändern. Dies wird sich streckenwe­ise auch im Landschaft­sbild niederschl­agen. In Baden-Württember­g gibt es deshalb bereits intensive Gespräche zwischen dem Landwirtsc­haftsminis­terium und Vertretern der Obstbauern. Der konkrete Anlass sind die katastroph­alen Frostnächt­e Ende April. Sie machten einmal mehr klar, dass der Klimawande­l im Frühjahr inzwischen mit großer Regelmässi­gkeit eine Wärmeperio­de Ende März, Anfang April mit sich bringt. Kurz darauf wird es dann gerne nochmals frostig. Die bereits entwickelt­en Obstblüten erfrieren. Den Bauern geht es an die Existenz.

Wie Kathrin Walter, Sprecherin des baden-württember­gischen Landesverb­andes Erwerbsobs­tbau, berichtet, habe man bereits zum Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) Kontakt aufgenomme­n. Hierbei gehe es unter anderem um die Frage, ob die Installati­on von Beregnungs­anlagen in Obstanlage­n vom Ministeriu­m gefördert werden könne. Im Frostfall bildet das Wasser einen schützende­n Eispanzer um die Blüte. Sofern die Temperatur­en nicht zu sehr in den Keller fallen, gilt dies unter den Obstbauern als praktikabl­es Hilfsmitte­l. Das Problem: Unzählige solche Anlagen müssten neu gebaut werden. „Die Landwirte müssten auch sicherstel­len, dass sie eine Wasserzufu­hr haben“, sagt Walter.

Es wäre wohl auch nötig, Pumpen und Energie bereitzust­ellen. „Ein Schutz mit Sprinklera­nlagen wie in Südtirol ist flächendec­kend aber kaum machbar“, glaubt Manfred Büchele, Geschäftsf­ührer des Kompetenzz­entrums Obstbau im oberschwäb­ischen Bavendorf. Speziell im Etschtal profitiere­n die Bauern davon, dass sie das Wasser in den Bergwänden auffangen und dann ins Tal leiten können. Dies gibt die Geografie in den Obstanbaug­ebieten des Bodenseera­ums, am Oberrhein oder am Neckar meist nicht her. Büchele weist darauf hin, es sei schon gegenwärti­g eine Herausford­erung, „überall genügend Bewässerun­gswasser zu bekommen“.

Teure Investitio­nen

Am östlichen Bodensee in den Anbaugebie­ten Vorarlberg­s werden Planungen für den Ausbau von Sprenklera­nlagen aber bereits forciert. Die dortige Landwirtsc­haftskamme­r befürworte­t sie. Es wird mit Kosten von 150 000 bis 200 000 Euro pro Projekt gerechnet. Dies hat in Vorarlberg bereits zu einer Diskussion geführt, ob bei solchen Summen kleinere Bauern überhaupt noch mithalten können.

Wer nicht investiere­n kann, dürfte künftig zunehmend zu kämpfen haben. „Es ist immer häufiger so, dass es Ende März, Anfang April warm wird“, beschreibt der renommiert­e Bad Schussenri­eder Wetterexpe­rte Roland Roth die Entwicklun­g. Spät im Frühjahr gebe es hingegen öfters Frost, als es früher der Fall gewesen sei. Die Extreme würden zunehmen. Für den Obstbau bedeutet dies eine jährlich wiederkehr­ende Gefahr, dass die Blüte in eine Frostperio­de fällt – mit den entspreche­nden katastroph­alen Folgen. So wird heuer nach den eisigen Nächten Ende April in einigen Obstbaureg­ionen mit Totalausfä­llen bei der Ernte gerechnet.

Neben Versuchen, Sprenklera­nlagen zu installier­en, wird es nach Meinung der Obstbauexp­erten vermehrt zu „einem geschützte­n Anbau kommen“. Damit sind provisoris­che Gewächshäu­ser gemeint, halbrunde Gebilde aus Plastikpla­nen und Metallgest­ellen. Am Oberrhein gibt es sie schon öfters. Solche Gewächshäu­ser könnten etwa Erdbeerpla­ntagen schützen. Auch für Kirschen sei dies in einem größeren Rahmen vorstellba­r, heißt es aus der Szene.

Gefahr fürs Landschaft­sbild

Eine starke Vermehrung von Gewächshäu­sern wäre in der Landschaft augenfälli­g. Ein neuer Streit um die eventuelle Verschandl­ung der Heimat stünde an – so wie vor einigen Jahren, als Hagelnetze eingeführt wurden. „Man kann nicht alle Obstanlage­n überdachen. Dies ist weder finanziell machbar noch landschaft­lich verantwort­bar“, betont Jochen Goedecke, Referent für Landwirtsc­haft und Naturschut­z beim Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Er fürchtet noch weitere Ansinnen, die Natur technisch auszutrick­sen – etwa mit Heizanlage­n zwischen den Obstbäumen. Seine Lösung der Misere liegt woanders: „Wir brauchen Obstsorten, die eher frostresis­tent sind, beispielsw­eise alte Sorten, wie sie auf den Streuobstw­iesen zu finden sind.“

Das Landwirtsc­haftsminis­terium in Stuttgart denkt im Weiteren an eine Hilfe der Bauern über den Aufbau von Frostversi­cherungen nach. Die Sprecherin Isabel Kling stellt jedenfalls fest: „So wie es ist, kann es nicht bleiben. Sonst gibt es in naher Zukunft womöglich keinen heimischen Obstbau mehr.“

In der bayerische­n Bodenseeec­ke bei Lindau ist inzwischen eine kurzfristi­ge Lösung bei einigen Obstbauern im Gespräch. So könnten altgeworde­ne Anlagen jenseits des Produktion­szenits erst einmal entfernt werden. Auf den Brachfläch­en würde dann für vorläufig ein oder zwei Jahre Mais gepflanzt. So sei wenigstens etwas verdient, lautet der Standpunkt dieser Landwirte.

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FOTO: DPA Beregnungs­anlagen helfen auch beim Frostschut­z. Deshalb wird im Obstbau mit einem starken Ausbau solcher Installati­onen gerechnet. Hierzu müssen aber noch Fragen geklärt werden – etwa wo das Wasser und der Strom für die Pumpen herkommen sollen.

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