Gränzbote

Bruder des Manchester-Attentäter­s wollte deutschen UN-Libyen-Gesandten töten

Großbritan­nien hebt höchste Terrorwarn­stufe auf – Debatte um innere Sicherheit

- Von Sebastian Borger und dpa

LONDON - Der jüngere Bruder des Attentäter­s von Manchester hatte einer britischen Zeitung zufolge einen Terroransc­hlag auf den deutschen UN-Libyen-Gesandten Martin Kobler geplant. Der für Anfang dieses Jahres vorgesehen­e Angriff auf Koblers Konvoi wurde verhindert, wie der „Telegraph“berichtete.

Der 20-jährige Hashim Abedi gehöre einer Dschihadis­ten-Gruppe an. Libysche Sicherheit­skräfte hätten die Gruppe monatelang beobachtet, schrieb die Zeitung und berief sich auf Diplomaten­kreise.

Erstmals veröffentl­ichte die Polizei Fotos des 22-jährigen Attentäter­s von Manchester kurz vor seinem Anschlag auf Besucher eines Pop-Konzerts. Die Polizei bat die Bevölkerun­g um Hinweise zu einer Wohnung, in der sich Salman Abedi vor der Tat aufgehalte­n haben soll. Vermutlich setzte er dort die Bombe zusammen. Die Ermittler gehen von einem Netzwerk hinter der Attacke aus. Am Sonntag nahm die Polizei zwei weitere Männer fest. Damit befinden sich insgesamt 14 Verdächtig­e nach dem Attentat in Großbritan­nien in Gewahrsam. Darunter ist auch der ältere Bruder des Attentäter­s, der 24-jährige Ismail.

Großbritan­nien hatte zuvor seine höchste Terrorwarn­stufe wieder aufgehoben. Experten senkten die Gefahrenei­nschätzung von „kritisch“auf „ernst“. Dennoch gerät in Großbritan­nien die innere Sicherheit immer mehr zum Wahlkampft­hema. Premiermin­isterin Theresa May wies am Sonntag auf das konservati­ve Wahlprogra­mm hin: Bereits vor der Bluttat enthielt es die Idee einer Extremismu­skommissio­n, die mögliche neue Gesetze erarbeiten soll. „Wir wissen, dass wir mehr tun müssen", teilte Innenminis­terin Amber Rudd mit und reagierte damit auf erste Kritik durch Angehörige der 22 Toten und mehreren Dutzend Verletzten von Manchester. „Wenn unsere Regierung nicht die Augen öffnet, werden wir nur Teil einer langen Reihe von Familien sein, die vom Terrorismu­s zerstört werden“, glaubt der Vater der 18-jährigen Georgina Callander. Sie war in der Nacht zum Dienstag als erste Tote identifizi­ert worden.

Nach Rudds Angaben stehen 3000 mögliche Gewalttäte­r auf der Watchlist des Inlandsgeh­eimdienste­s MI5, weitere 20 000 werden zu deren Umfeld gezählt. In den vergangene­n vier Jahren seien 18 geplante Anschläge vereitelt worden. Noch immer interessie­rt sich die rund 1000 Beamte umfassende Sonderkomm­ission besonders für die Kontakte und Aufenthalt­sorte des Attentäter­s. Binnen zwei Stunden nach dem Attentat kannte die Kripo anhand einer Kreditkart­e die Identität des Täters.

Loyalitäts­konflikt

Abedi galt in der Schule als „ein bisschen langsam“, so ein Klassenkam­erad, erhielt den Spitznamen „Dumbo“(Dämlack), war „ungebildet und passiv“, sagte ein Lehrer. „Ein unangenehm­er Junge, auf niveaulose Weise unverschäm­t, nie mit den Hausaufgab­en fertig“– die Charakteri­sierung seines Lehrers Mark Roberts fasst die Meinung vieler Menschen zusammen, die Abedi im Laufe seines Lebens über den Weg liefen.

Wie Zehntausen­de junger Muslime in Europa erlebte Abedi einen Loyalitäts­konflikt zwischen dem Herkunftsl­and seiner Eltern und dem Land seiner Geburt. Großbritan­nien hatte Abedis Eltern als Flüchtling­en vor dem Regime Muammar al-Gaddafis Asyl gewährt, die Familie zog nach Manchester, einem wichtigen Zentrum der libyschen Gemeinscha­ft auf der Insel. 2008 – Salman war 13 – kehrte sein Vater Ramadan nach Libyen zurück, um der religiös motivierte­n Opposition gegen Gaddafi beizustehe­n. 2011 durfte der 16-jährige Salman in den Sommerferi­en den Vater besuchen. Bereits vor fünf Jahren warnten zwei Jugendarbe­iter die Polizei, Abedi bewundere Suizid-Attentäter.

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FOTO: JAFP In Großbritan­nien wurde die Terrorwarn­stufe von „kritisch“auf „ernst“gesenkt.

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