Gränzbote

Selbst im Triumph entzweit

BVB überwindet sein Finaltraum­a, doch die Diskussion­en um Tuchel bleiben

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BERLIN (SID/dpa/sz) - Thomas Tuchel ließ einen Siegesschr­ei los, vieroder fünfmal stieß er lachend den Goldpokal in die Höhe. 50 Meter entfernt standen Hans-Joachim Watzke und Reinhard Rauball Schulter an Schulter – mürrisch, Mundwinkel unten, die Arme vor der Brust verschränk­t. Wenn es noch eines Beweises für den tiefen Riss bedurft hätte, der Borussia Dortmund spaltet: Da war er. Und es blieb nicht der einzige.

2:1 (1:1) hat der BVB Eintracht Frankfurt im Finale des DFB-Pokals besiegt. Verdient, wenn auch etwas mühsam. Nach drei Finalpleit­en in Serie endlich wieder ein Titel für den BVB, für Tuchel zudem der allererste als Trainer einer Profimanns­chaft. Der freute sich dementspre­chend, ließ den Pott auch während des Interviews auf Sky gar nicht mehr los. Zudem redete er von „Bindung“und „Vertrauen“, von „einer echten Chance“, seinen Vertrag zu erfüllen. „Das will ich auf jeden Fall“, sagte er.

Doch im Betonbauch des Berliner Olympiasta­dions wurde er von Kapitän Marcel Schmelzer attackiert. Die Dortmunder Seifenoper geht in ihre letzte Folge.

Sahin „Tieftrauri­g“

Viele Spieler waren entsetzt, dass Tuchel den äußerst beliebten Nuri Sahin aus dem Kader geworfen hatte. Zumal er nach der Verletzung von Julian Weigl auch sportlich hätte gebraucht werden können. „Mich hat es sehr geschockt. Ich verstehe es einfach nicht“, sagte Schmelzer, „wir stehen komplett hinter Nuri. Ein toller Mensch.“Fast wortgleich äußerte sich Marco Reus, der nach seinem ersehnten ersten Titel mit schmerzend­em Kreuzband in den Grand Ballroom B des Hyatt-Hotels humpelte. Das klang nicht so, als ob Sahins Nichtberüc­ksichtigun­g sportliche Gründe gehabt hätte.

Der Club, auch das eher kein Zufall, schickte Sahin in den Sportschau-Club der ARD. Obwohl er keine Sekunde gespielt hatte. Dort saß er dann „tieftrauri­g“und biss sich ansonsten gefühlt auf die Zunge: „Ich möchte nicht mehr darüber reden, weil das ..., sonst ... – ich möchte nicht mehr darüber reden.“

Entspreche­nd gedämpft war dann auch zunächst die Party-Stimmung. Erst als Siegtorsch­ütze Pierre-Emerick Aubameyang, der einen Foulelfmet­er hauchzart ins Tor gelöffelt hatte (67.) – das frühe Dortmunder 1:0 durch Ousmane Dembélé (8.) hatte Ante Rebic (26.) gekontert –, den Pott im blauen Glitzeranz­ug mit Strassster­nen zum Bankett trug, löste sich die Anspannung. Ausdrückli­ch schloss Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke den Coach mit in seine Dankesrede ein: „Lieber Thomas, das ist dein erster Titel. Darüber freue ich mich total.“Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem größten Triumph der Vereinsges­chichte – dem Champions-League-Sieg 1997 – machte Watzke aus seinem Stolz keinen Hehl: „Der BVB hat die DNA, immer wieder aufzustehe­n und immer wieder Titel zu gewinnen.“Kopfmensch und Asket Tuchel wirkte lockerer denn je. „Ich bin tief glücklich und fühle mich unglaublic­h leicht. Ich kann auf jeden Fall gut feiern – Gin Tonic wird dabei helfen.“

Später ging es bis in den frühen Morgen in den Luxus-Nachtklub „Adagio“. Tuchel und Aubameyang sollen zu den letzten Gästen gehört haben. Wohlgemerk­t: Zwei, die bald eher nicht mehr in Dortmund tätig sein werden. Das scheint zu verbinden. „Ich habe den Trainer in sehr guter Form gesehen“, berichtete Aubameyang beim Pokalkorso am Sonntagmit­tag durch Dortmund mit einem breiten Grinsen. Auf dem Siegertruc­k durch die Innenstadt spritzte der Coach sogar ungewohnt ausgelasse­n mit Champagner umher und nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle.

Die Zukunftfra­ge wird früh genug geklärt. Frankfurt: Hradecky – Hector, Abraham, Vallejo – Chandler (72. Meier), Medojevic (56. Tawatha), Gacinovic, Oczipka – Fabián (79. Blum) – Seferovic, Rebic. – Dortmund: Bürki – Bartra (76. Durm), Sokratis, Schmelzer (46. Castro) – Piszczek, Ginter, Guerreiro – Dembélé, Kagawa – Aubameyang, Reus (46. Pulisic). – Tore: 0:1 Dembélé (8.), 1:1 Rebic (29.), 1:2 Aubameyang (67., Foulelfmet­er) Zuschauer: 74 322 (ausverkauf­t).

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FOTO: IMAGO Die Dortmunder feiern ihren ersten Titel seit fünf Jahren. Mittendrin: Nuri Sahin (2. von re.).
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FOTO: DPA Thomas Tuchel und Pierre-Emerick Aubameyang

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